Sarum
– reformiert, sicherlich, aber doch eine königliche. Montfort hat uns eines Besseren belehrt: eine politische Ordnung, der selbst der König sich fügen muß. Das ist der einzige Weg in die Zukunft.« Was die Verfassung betraf, war Hughs Behauptung revolutionär, doch neu war sie nicht. Während des ganzen Jahrhunderts wurden diese Ideen an den europäischen Universitäten weidlich diskutiert und selbst von solch bedeutenden Kirchenmännern und Denkern wie dem heiligen Thomas von Aquin unterstützt. Tatsächlich hatten seit der Zeit der Magna Charta die englischen Magnaten ihren Königen in der Praxis ein politisches, kooperatives Herrschaftssystem aufgezwungen, hatten jedoch immer behauptet, dadurch lediglich eine gute Feudalregierung zu sichern.
»Selbst die Bischöfe sind sich nicht einig«, sagte Hugh. »Die Hälfte von ihnen ist für Montfort.«
Viele Bischöfe glaubten tatsächlich allen Ernstes, daß Montfort im Recht sei und daß der König durch einen Eid und durch Provisionen verpflichtet werden müsse.
»Bist auch du dieser Meinung?« wandte Jocelin sich plötzlich an den alten Edward. Dieser überlegte. Die klugen Gesichtspunkte interessierten ihn herzlich wenig, obwohl sie ihm vertraut waren. »Ich sage euch«, erwiderte er, »falls es zum Kampf kommt, stehen die Kaufleute Londons hinter Simon deMontfort.«
Jocelin zuckte verächtlich die Achseln. »Du kämpfst gegen die göttliche Allmacht«, erklärte er, und in seinen Augen standen Schmerz und Zorn zugleich, als er Hugh auf französisch ansprach: »Ich befehle Euch, Euch unterzuordnen, oder Ihr seid nicht länger mein Sohn.« Damit ritt er fort.
Peter Shockley, der diesem Streit zwischen Jocelin und seinem einzigen Sohn beiwohnte, ohne nach seiner Meinung gefragt zu werden, begriff nun endlich, wo er selbst stand. Obwohl ihm manche klugen Gedankengänge fremd waren, erfaßte sein pragmatischer, instinktiv arbeitender Verstand das Wesentliche, das sich hinter der wortreichen Argumentation verbarg. »Für uns ist es gleichgültig, ob der König regiert oder sein Rat«, sagte er später zu seinem Vater. »Wir brauchen Frieden und niedrige Abgaben in der Walkmühle. Und«, fuhr er ernst fort, »wir müssen dafür sorgen, daß wir das erreichen.«
Innerhalb einer Woche wußte ganz Sarum von dem Streit zwischen Jocelin de Godefroi und seinem Erben. Sie wohnten nicht länger unter einem Dach. Während sein kleiner Sohn im Herrenhaus unter der Aufsicht der dortigen Frauen blieb, zog Hugh in ein Haus in der neuen Stadt, wo er zurückgezogen, doch in offener Auflehnung gegen die Wünsche seines Vaters lebte.
Hugh war mit seiner Einstellung nicht allein. In Sarum erhoben sich jetzt viele unzufriedene Stimmen, und im Februar traf ein größeres Truppenkontingent des Königs im Kastell ein. Die Absicht war eindeutig: In der Stadt blieb es verhältnismäßig ruhig; auch Hugh fand es angezeigt, sich abwartend zu verhalten; aber er verschwand zweimal mit unbekanntem Ziel.
Im Februar und März kamen neue Gerüchte in Umlauf. London befand sich im Aufruhr und bekannte sich zu Simon. Prinz Eduard zog mit seinen Anhängern aus den walisischen Grenzkastellen durchs Land. Anfang April nahmen er und sein Vater das Kastell in Northampton. Man hörte, daß Simon de Montfort sich zum Kampf rüste. In den zwei Monaten, seit Hugh ihn verlassen hatte, hatte der alte Ritter wieder die Aufsicht über seine Besitzungen geführt, und um seine Gedanken von der Auseinandersetzung mit dem Sohn abzulenken, verschrieb er sich mit ganzem Herzen der Arbeit. Jeden zweiten Tag kam er in die Mühle. Und obwohl der alte Mann nie danach fragte, erwähnte Peter es immer, wenn er Hugh in der Stadt getroffen hatte, und er berichtete Jocelin über ihn, als wüßte er nichts von dem Streit zwischen den beiden. Kaum jemand in Sarum hätte dies gewagt, doch Peter vermutete, daß die regelmäßigen Besuche in der Mühle ihren Grund hatten.
Trotz der politischen Ereignisse blühte das Geschäft in der Walkmühle, und Ende März plante Peter ihre bauliche Erweiterung. Auf Jocelins Betreiben beriet Osmund, der Steinmetz, Peter bei seinem Vorhaben. Eines Morgens mitten im April standen die beiden vor der Mühle und sahen Hugh de Godefroi auf dem wundervollen schwarzen Kavalleriepferd heran reiten, das ihn schon viele Male bei Turnieren zum Sieg getragen hatte. Er führte zwei weitere Pferde mit sich, ein Kavalleriepferd und ein Lastpferd, das seine Ausrüstung trug: den großen Kettenpanzer, der
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