Sarum
selbst Erkundigungen einzuziehen.
Gerade als er aufbrechen wollte, wurde er von einer kleinen, doch auffälligen Gruppe am Hoftor aufgehalten.
Die Familie der Masons hatte jetzt sechs Mitglieder: Edwards zwei Enkel, John und Nicholas, ferner ihre verwitwete Stiefmutter und deren drei kleine Kinder. Seit dem Tod ihres Vaters Richard vor drei Jahren hatten John und Nicholas, beide Ende Zwanzig, hart gearbeitet, um die Familie zu ernähren. Und das Haus, das sie zusammen in Avonsford bewohnten, strahlte – obwohl es zu klein war – eine Atmosphäre der Sauberkeit und des Wohlstandes aus, die dem Ritter gefiel. Wenn auch beide Männer die Familientradition als Steinmetzen fortgesetzt hatten, war John doch auch Bogenschütze und vor kurzem mit einer wenn auch bescheidenen Kriegsbeute aus Crecy zurückgekehrt, die jetzt der Familie als Rückhalt für Notzeiten diente. Ihre Stiefmutter Agnes hatte allerdings das Heft in der Hand.
Und Godefroi betrachtete sie teils ablehnend, teils bewundernd, wie sie jetzt vor ihm stand: eine kleine Frau unbestimmbaren Alters, mit einem geraden Kinn, sandrotem Haar und flinken, ehrlichen grauen Augen. Sie verteidigte ihre kleine Familie mit einer Entschlossenheit, die sie im Dorf nicht gerade beliebt machte, und ihre aggressive Natur behagte dem Ritter nicht, wenn sie in der Nähe war. Dennoch mußte er ihren Kampfgeist bewundern.
Während John und Nicholas die großen Köpfe ehrerbietig entblößt hatten und schwiegen, verkündete sie mit in die Hüften gestemmten Armen: »Sir, wir wollen den alten Schafstall mieten. Wieviel kostet er?« Er sah sie überrascht an. Der alte Schafstall, ein längliches Steingebäude, stand noch in einiger Entfernung in einer Mulde auf der Hochebene. Aber da er seine Herden verkleinert hatte, wurden die Hügelkämme nicht mehr abgegrast, und der verlassene Ort verfiel allmählich. Wofür könnte sie ihn wollen?
Er zuckte die Achseln. »Sixpence pro Jahr.« Es war ein nomineller Betrag.
Agnes nickte. »Können wir ihn sofort haben?«
»Wann Ihr wollt«, antwortete er und machte sich endlich auf den Weg. In der Stadt angelangt, steuerte Gilbert de Godefroi geradewegs auf das Haus William Shockleys zu. Das war klug, denn wenig Menschen wußten besser Bescheid. Sein Haus lag in der High Street, und obwohl er in erster Linie Wolle und Tuch exportierte, hatte er das gesamte ebenerdige Stockwerk zu einem Laden umgebaut. Hier konnte man Austern aus Poole, Wein und Früchte finden, Färberwaid, Seife und Öl; es gab Heringe und Salzfisch aus Irland, Pfeffer, Datteln, Ingwer und schöne Seidengewänder. Es war nicht nur ein Vergnügen, diese Herrlichkeiten zu betrachten – die Transporteure, die sie brachten, wußten auch immer Neuigkeiten, und das machte den Händler doppelt begehrt. Er war die Seele des Ganzen, eine mächtige, gutmütig polternde Gestalt mit rotem Gesicht.
Kaum hatte er den Ritter erblickt, zog er ihn zur Seite und flüsterte ihm ernst zu: »Hast du von dieser Pest gehört? Sie ist bis Southampton vorgedrungen.«
»Wann?«
»Gestern. Ich habe es heute morgen gehört. Bereits zwei Tote.«
»Ist die Stadt vorbereitet?« fragte Godefroi.
Shockley schnitt eine Grimasse. »Ich warnte den Bürgermeister und die Ratsherren, mehr kann ich nicht tun. Aber niemand glaubt mir, und welche Vorsichtsmaßnahmen könnten in der Stadt schon getroffen werden? Ich persönlich«, gestand er, »bringe meine Familie noch heute auf den Hof.«
Godefroi nickte grimmig. Der Händler hatte sechs Kinder, und er konnte ihm nachfühlen, daß er sie aus dem dichten Straßengewühl von Salisbury heraushaben wollte.
Als er kurz darauf ging, sah er, daß die Gehilfen des Händlers zwei kleine Körbe an seinen Sattel geschnallt hatten. »Malmsey-Wein, gerade in Christchurch eingetroffen«, erklärte William. »Ein guter Schutz gegen die Krankheit.«
Der Schwarze Tod wurde in Sarum am Nachmittag entdeckt. Die beiden Wagen mit William Shockley, seiner rundlichen Frau, ihren sechs Kindern und zwei Dienern waren am frühen Nachmittag langsam auf der Straße nach Wilton aus der Stadt herausgerollt; eine Stunde später erreichten sie auf dem Gehöft der Shockleys ein paar ziegelgedeckte Gebäude neben dem Wald von Grovely. William und seine Frau waren froh, dort zu sein, die Kinder begierig darauf, in der weiten Freiheit der nahen Wälder herumzutollen.
Er hatte sein Kommen angekündigt und war erfreut, daß die Wilsons das Haus gelüftet und ein Feuer im Hauptraum
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