Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sarum

Sarum

Titel: Sarum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
Wilson an diesem Tag mit ihrem Ehemann nach Sarum. Zuerst wollte sie ihren Bruder Piers benachrichtigen, dann hatte sie eine bessere Idee: Sie wollte einfach kommen. Es wäre ein kleiner, aber köstlicher Triumph. Als die beiden Wilsons eines schönen Herbstmorgens in einem kleinen Wagen in die Stadt einfuhren, war sie in Festtagsstimmung. Sie wunderte sich, daß alle Menschen die Richtung nach Fisherton nahmen. Kurz darauf war ihre fröhliche Stimmung verflogen, und sie eilte selbst an den Ort. Peter war bereits zum Scheiterhaufen gebracht worden, und das Feuer wurde eben entfacht.
    Zweierlei fiel ihr sofort auf: Erstens ließen die Leute des Sheriffs Milde walten – das Feuer würde nur kurz brennen. »Gott sei zumindest dafür gedankt«, murmelte sie. Bei einem langsamen Feuer blieb das trockene Holz unbedeckt, so daß das Opfer in den bloßen Flammen einen qualvollen Tod erlitt. Ein schnelles Feuer war barmherziger, denn dabei wurde das Holz mit feuchten Blättern abgedeckt, so daß der Verurteilte einen Erstickungstod starb, bevor sein Körper verbrannte. Als zweites fiel ihr auf, daß ein älterer Kanoniker neben ihm stand und ruhig, aber eindringlich auf ihn einsprach, ihn offenbar beschwor, zu widerrufen; und dann sah sie, wohin die Augen des armen Peter blickten: zu Abigail und Robert, die im Kreis der Zuschauer standen. Zuerst bemerkten sie sie nicht. Auch Edward Shockley nicht, der mit seiner Frau und John Moody nicht weit entfernt von der Gruppe der Masons stand.
    Als das Feuer entzündet wurde, fragte Edward zweifelnd seine Frau: »Ob die Flammen wirklich seine Seele läutern?« Aber seine Frau und ihr Bruder sanken auf die Knie. Edward starrte nicht in die Flammen, sondern in die Rauchschwaden. Gott sei Dank hatten die Leute des Sheriffs ihre Aufgabe mit den Blättern ordentlich ausgeführt. Er konnte Peter nicht sehen. Kurz bevor der Rauch ihn einhüllte, hatte Peter den Blick von Abigail abgewandt und Nellie entdeckt. Eine Sekunde schaute er verwundert, dann lächelte er voll herzlicher Zuneigung.
    Als die Menge sich zerstreute, rührte sich Edward Shockley nicht von der Stelle; so wurde er Zeuge eines kleinen Vorfalls. Längst nachdem Peter verschieden war und die Flammen die spärlichen Reste seines Körpers verzehrten, erblickte Abigail Mason in der sich auflösenden Menge Nellie, die auf den Scheiterhaufen starrte – Tränen liefen ihr über die Wangen.
    Einen Moment lang zögerte Abigail, dann faßte sie einen Entschluß. Langsam ging sie auf Nellie zu, Robert dicht hinter ihr. Ihre Stimme war ruhig und schneidend, als sie sich an die Leute des Sheriffs wandte, die noch mit dem Büttel der Stadt am Feuer standen: »Nehmt diese Frau fest! Sie ist eine Hure.« Nellie sah sie an und verzog den Mund.
    Da hörte man Kapitän Wilsons Stimme, für alle deutlich vernehmbar: »Nicht mehr. Sie ist meine Frau.« Er starrte erst den verlegenen Robert an, dann die Helfer des Sheriffs. »Möchte jemand mit mir streiten?« Keiner bewegte sich. »Und wer ist dieses käsige Zankweib?« fragte er in die Menge, die sich jetzt dem neuen Spektakel zuwandte. »Wer ist diese Klatschbase, diese kaltäugige Hexe?« Allgemeines Gelächter erscholl.
    Da erfaßte Nellie Godfrey blitzschnell aus dem Verhalten der Masons die Ursache des soeben erlebten Dramas. »Das ist natürlich Abigail Mason«, schrie sie, »die gerade ihren Ehemann verbrennen ließ, um einen neuen zu bekommen.«
    Edward starrte Abigail an: War sie noch blasser geworden? Sie fuhr sichtbar zusammen, als hätte sie einen Schlag erhalten, sagte aber kein Wort.
    Er sah Abigails Augen vor Wut und Haß sprühen – es war nicht der Haß eines Menschen, der sich entdeckt fühlt, sondern eines Menschen, der die Wahrheit über sich erfahren hat, derer er sich bisher nicht bewußt gewesen war.
    Als Edward Shockley zuerst das schreckliche Feuer, dann die bleiche Gestalt davor ansah, war es ihm, der so lang von seinem eigenen Gewissen geplagt wurde, als ob es ihm wie Schuppen von den Augen falle.
    Die Agonie Englands und Maria Tudors stand kurz vor dem Ende. Im Jahre 1557 starb Bischof Capon in Sarum. Königin Maria schickte drei überzeugte katholische Priester, die dort den Glauben aufrechterhalten sollten, der Bischofsstuhl wurde jedoch nicht gleich neu besetzt. Im gleichen Jahr stattete Philipp von Spanien der ungeliebten Gattin einen seiner seltenen Besuche ab. Er kam, weil er Truppen brauchte, die er im Kampf gegen die Franzosen einsetzen wollte. Widerwillig

Weitere Kostenlose Bücher