Sarum
er wieder zu den Forests zurückkehrte. »Komme mich hier besuchen, Samuel«, sagte sie, »doch jetzt ist es an der Zeit, daß du dich auf deinen Beruf vorbereitest.«
Bald danach begab sich Aaron von Wilton nach Southampton. Unterwegs traf er Sir Henry, der ihn forschend ansah. Aaron aber war weise – er hielt den Blick gesenkt.
1688: Dezember
Doktor Samuel Shockley stieg über die Abflußrinne in der New Street und ging rasch auf das Kathedralgelände zu. Heute war ein großer Tag – heute fand in England eine Revolution statt, und in wenigen Stunden sollte er, Samuel, dem zukünftigen König von England begegnen.
Doktor Shockley bot einen beeindruckenden Anblick: Er trug eine Allongeperücke, die ihm bis über die Schultern reichte. Sie paßte mit ihrem warmen Braun sehr gut zu seinen blauen Augen – dies hatte ihm seine Frau versichert; außerdem verlieh sie ihm das würdevolle Aussehen eines geachteten Arztes. Unter dem offenen Umhang trug er ein elegantes, graurosa Jackett mit hübschen Goldknöpfen an Ärmelaufschlägen und Seitentaschen, dazu ein Hemd mit feiner Spitzenhalskrause, Seidenstrümpfe und graue Wildlederschuhe mit hohen Absätzen. Vor der Ankunft des Prinzen hatte er zwei Pflichten zu erfüllen: Zuerst einmal mußte er den Bischof sehen, und dann – er runzelte die Stirn bei dem Gedanken – mußte er ein ernstes Wort mit dem Sohn von Forest reden.
Das Gelände um die Kathedrale bot wieder einen erfreulichen Anblick. Auf dem Rasen vor dem Haus der Chorsänger dachte er lächelnd daran, wie er hier im August 1665 König Karl II. vorgestellt worden war, der während der großen Pest, die in London wütete, zwei Monate lang mit seinem Hofstaat in Salisbury geweilt hatte.
Wenn Samuel Shockley auf sein Leben zurückblickte, gab es vieles, wofür er dankbar war. Da war der Shockley-Hof, sein geliebtes Heim, wo seine Schwester Margaret allein, doch zufrieden gelebt hatte, bis sie drei Jahre zuvor gestorben war. Er hatte sie, außer während seiner Studien in Oxford, jede Woche besucht. Sir Henry Forest hatte sich an die Abmachung gehalten und ihm eine erstklassige Erziehung angedeihen lassen. Samuel war seit der großen Feuersbrunst in London glücklich verheiratet, seine drei Kinder liebte er abgöttisch.
Bei alldem war er aber nicht ohne Schadenfreude. Es machte ihm großes Vergnügen, daß nach der Wiedereinsetzung Karls II. Obadiah mit zweitausend anderen Presbyterianern seine Predigerstelle verlor; Samuel gab auch nicht vor, traurig zu sein, als Obadiah bei einer Straßenschlägerei in Edinburgh den Tod fand.
Zufrieden blickte er um sich. Alles war wieder wie früher: Bischof, Dekan, Kanoniker und Chorsänger waren wieder in ihre Ämter eingesetzt; die Kathedrale wurde instand gehalten; das alte englische Gebetbuch und die von ihm geliebten Zeremonien – Morgen- und Abendmesse, kirchliche Trauung – waren wieder üblich; die anglikanischen Regeln bestimmten wie einst den Alltag.
Lächelnd blickte Samuel zum Turmhelm hinauf: auch ein Grund, warum er den Bischof gern hatte. Denn Bischof Ward hatte seinen Freund Christopher Wren geholt, damit er sich der Kathedrale annehme und den Turmhelm wieder instand setze. Er schätzte Wren. Samuel besuchte den Bischof an diesem Morgen aus zwei Gründen – einmal aus Freundschaft, zum anderen hatte er über den jungen Forest zu sprechen. Samuel betrat den Bischofspalast.
»Ach, Samuel, lieber Freund!« begrüßte ihn Seth Ward. Samuel betrachtete das großflächige Gesicht mit den schweren Lidern über den klugen Augen, die große Hakennase. Der Bischof saß zusammengesunken auf seinem Stuhl und war wieder einmal schlechter Laune. »Leider fühle ich mich gar nicht wohl.« Er war Mitglied der Royal Society, der Akademie der Naturwissenschaften, Freund von Wren, Pepys, Newton, fähiger Administrator, brillanter Geist, wenn er nicht gerade vom Dekan zur Weißglut gebracht wurde; ein Gelehrter, der in Salisbury eine der besten medizinischen und wissenschaftlichen Bibliotheken des Landes aufgebaut hatte; außerdem war er ein ausgemachter Hypochonder.
»Es gibt nur eines, was noch schlimmer ist als Eure eingebildeten Krankheiten, und das sind Eure selbstgebrauten Heiltränke«, meinte Shockley gutgelaunt; denn Ward klügelte selbst Arzneien aus, nachdem er alle erdenklichen Mittel der Ärzte durchprobiert hatte. Samuel hielt sich nicht länger bei Wards Gesundheit auf, sondern kam gleich zur Sache. »Ich brauche Eure Hilfe wegen des jungen Forest.« Er
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