Sarum
einer Woche nicht mehr gesehen.
George bedachte ihn mit einem charmanten Lächeln. »Auf Pembrokes Seite, glaube ich.«
»Aber Lord Pembroke ist in London. Er hat sich selbst noch nicht geäußert.«
»Ich weiß.«
Die Forests änderten sich nicht.
George sah ihn neugierig an. »Und was ist mit Euch, Doktor? Seid Ihr erfreut über diese glorreiche Revolution?«
Da lächelte Shockley. »Das ist keine Revolution, George, das ist ein Kompromiß«, erwiderte er.
R UHE
1720
Die Shockleys waren völlig ruiniert. Es war seine Schuld. »Die reinste Tollheit, mein Lieber!« Die letzten fünf Jahre seines Lebens sagte Doktor Shockley sich diesen Satz vor – jeden Morgen. »Die Zukunft der Familie aufs Spiel setzen, den höchsten Einsatz wagen, um alles zu verlieren.«
Im Jahre 1720 investierte der damals fünfundachtzigjährige Doktor Samuel Shockley, Wissenschaftler, Rationalist, unverbesserlicher Optimist und einer der angesehensten Einwohner Sarums, sein gesamtes Vermögen in die verwegenste, nicht abgesicherte Spekulation, die England je gesehen hatte: in die Südsee-Kompanie. Und als sie innerhalb eines Jahres platzte und damit die Hälfte des Vermögens des Königreiches verloren war, standen Doktor Samuel Shockley und seine Familie vor dem völligen Ruin.
Er lebte noch fünf Jahre und unternahm kleine, aber sinnlose Versuche, etwas von dem Verlorenen zurückzugewinnen. Man munkelte, daß nur der Wille, seine Schuld zu tilgen, ihn noch am Leben halte. Als er im Jahre 1725 erkennen mußte, daß alles umsonst gewesen war, verschied er.
Die Tollheit ergriff nicht nur die Shockleys, sondern halb England, was durchaus verständlich war. Im Jahre 1720 sah es nämlich tatsächlich so aus, als könnte nichts, nicht einmal ein äußerst gewagtes Unternehmen, schiefgehen. Endlich war England reich und lebte in Frieden. Das Land hatte eine neue Dynastie. Auf die protestantischen Herrscher Wilhelm und Maria folgte zunächst Königin Anna, und als sie ohne Erben starb, wurde die Krone nicht nach der gesetzlichen Erbfolge, sondern an den deutschen protestantischen Vetter Georg, Kurfürst von Hannover, vergeben.
Er sprach allerdings kein Wort Englisch und zog bedauerlicherweise Hannover England vor; er versuchte auch nicht, sein neues Land zu verstehen, und entschwand oft in sein geliebtes Hannover; er war von seiner Frau geschieden und verabscheute seinen Sohn, den Prinzen von Wales; er war klein und dick, sah dümmlich aus. Aber er war ein fähiger Befehlshaber, und da er kein Katholik war, belästigte er die englische Kirche nicht, wie die Stuarts, mit papistischen Intrigen. Seine Nachfahren herrschten seitdem über England.
Das Land hatte militärischen Frieden – erkämpft in mehreren glänzenden Schlachten gegen den größenwahnsinnigen König Ludwig XIV. von Frankreich, der ganz Europa einschüchtern wollte. Die Insel war nun endlich geeint. Die Vereinigung des Königreichs Schottland mit England und Wales unter der Herrschaft der Stuarts wurde schließlich 1707 durch die Realunion herbeigeführt, und der Übergang der Krone an das Haus Hannover wurde durch das Parlament des Vereinigten Königreichs von Großbritannien abgesichert.
Jedenfalls beinahe. Es gab da noch den letzten männlichen Prätendenten des alten Königshauses der Stuarts: Jakob Eduard, Sohn Jakobs II. aus der Ehe mit einer Italienerin. Er war mit der Enkelin des polnischen Königs verheiratet und wurde gelegentlich scherzhaft als der Alte Prätendent bezeichnet. Die Mehrzahl der Engländer lehnte ihn ab, weil er Katholik war. Im Jahre 1715 versuchte er eine Invasion – aber er wurde mit Schimpf und Schande verjagt.
Es war an der Zeit, den Bürgerkrieg und die religiösen Streitigkeiten zu vergessen; es war an der Zeit, reich zu werden, und ebendies hatten im Jahr 1720 Tausende von Geldanlegern vor.
Die Sache mit der Südsee-Kompanie begann mit Marlboroughs Kriegen gegen die Franzosen. Sie kosteten Millionen, und klugerweise entschloß sich das Parlament, lieber Schulden zu machen, statt Steuern zu erheben. Die Schulden der Regierung – um vierzig Millionen Pfund – schienen enorm; die größten Gläubiger waren die Bank von England – fest in der Hand der Whigs – und die East India Company.
Dann kam der Vorschlag, daß eine neue Gesellschaft, nämlich besagte Südsee-Kompanie, zur Entlastung der Regierung die Schulden übernehmen und die anfallenden Zinsen zahlen wolle, wenn sie dafür die Handelserlaubnis in der Südsee erhalte. Und es
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