Sarum
Das war wirklich ein Tag zum Feiern.
Doch zuerst der junge Forest! Shockley hatte ihn in sein Haus bestellt. Dort wartete der junge Mann, dunkelhaarig, gelassen, höflich. Er hatte den gleichen oberflächlichen Charme wie sein Vater, hinter dem sich die gleiche Kälte verbarg, was zweifellos der Grund war, daß Shockley und der Vater des Jungen niemals wirkliche Freunde geworden waren, obwohl sie miteinander aufwuchsen und gemeinsam in Oxford studierten.
George Forest war zwanzig Jahre alt.
Shockley kam ohne Umschweife zur Sache: »Ihr wißt, warum ich nach Euch geschickt habe?«
»Nein, Doktor Shockley.« Der junge Mann log natürlich. »Ich habe eine Patientin – Susan Mason. Sie erwartet ein Kind, junger Mann.«
Der junge Mann schwieg.
»Ihr werdet doch sicher nicht abstreiten, daß Ihr der Vater seid, lieber Freund.«
Es war die übliche Geschichte. George hatte sie im Gasthaus gesehen und sie zum Zeitvertreib besucht, sie sicher auch mit seinem Charme eingefangen. Doktor Shockley brauchte drei Wochen, bis sie ihm endlich anvertraute, wer ihr Liebhaber gewesen war. Sie war ein nettes einfaches Mädchen mit großen grauen Augen, irgendwie reizvoll und erst sechzehn Jahre alt.
»Habt Ihr vor, sie zu heiraten?«
George Forest starrte ihn überrascht an. Der Erbe eines Baronet-Titels, ein Forest – und die Tochter eines Gastwirts?
»Aha. Ist Euch klar, daß ihr Vater ihren Zustand erkannt und sie hinausgeworfen hat? Sie ist völlig hilflos.«
Es war eine üble Sache. Mason, der Gastwirt, ein cholerisches Männchen mit einem bösen roten Gesicht, hatte sie einfach vor die Tür gesetzt: »Es ist mir gleich, wer der Vater ist«, hatte er getobt. »Er hat dich nicht dazu gezwungen. Du gibst es zu. Ich muß noch für drei andere Kinder sorgen. Du hast mir Schande gemacht. Verlaß mein Haus!« Shockley hatte ihn dreimal aufgesucht, doch Mason war hart geblieben. George hatte das nicht gewußt; er war ihr absichtlich aus dem Weg gegangen. Als sie ihn einmal auf der Straße ansprechen wollte, hatte er sich rasch abgewendet.
»Wer weiß, wie viele Liebhaber sie schon gehabt hat«, meinte er schließlich.
Shockley fuhr hoch. »Unsinn, das wißt Ihr ganz genau.« Der Junge war ja noch schlimmer, als er gedacht hatte! »Ich habe das Mädchen gesehen. Ich bin seit fast dreißig Jahren Arzt. Ich weiß Bescheid. Es ist Euer Kind.«
Forest war immerhin klug genug, jetzt nicht zu widersprechen. Samuel hielt inne und musterte ihn mit kühlem Blick von Kopf bis Fuß. »Ihr könnt dankbar sein, daß ich nicht mit Eurem Vater gesprochen habe. Das werdet Ihr selbst tun. Ihr werdet das Mädchen unterstützen.«
»Dreißig Pfund werden wohl genügen für das Kind«, sagte George Forest nachdenklich.
»Fünfzig jährlich«, schnaubte Shockley. Das war eine beträchtliche Summe, aber er wollte sie unbedingt für das Mädchen herausholen.
»Damit wäre mein Vater niemals einverstanden.« Sicher würde er das nicht sein – Shockley wußte das. »Wenn Ihr das nicht tut, kommt Ihr vor das Gericht des Bischofs«, entgegnete er sehr ruhig. »Er hat die Macht, Euch eine Geldstrafe aufzuerlegen und Euch zu exkommunizieren. Ich glaube nicht, daß Euer Vater das gerne sähe.« Der Junge wurde weiß wie die Wand. Er überlegte. Nach einer Weile antwortete er vorsichtig: »Ich glaube nicht, daß der Bischof sich mit der Familie Forest anlegen wird.«
Das war schlau gedacht: Wenn solche Prozesse theoretisch auch möglich waren, kam es in der Praxis selten vor, daß ein Bischof ein Mitglied der Gentry strafrechtlich verfolgte. Schlimmstenfalls wurde einem Gentleman diskret eine Geldbuße auferlegt.
Doch Shockley schüttelte den Kopf. »Ihr irrt Euch. Ich war heute morgen bei Bischof Ward. Er ist bereit, Euch zu belangen. Darauf habe ich sein Wort.«
Zuerst blickte der junge Mann bestürzt, dann erstaunt, schließlich voll Respekt drein – wegen des klugen Schachzugs eines gleichwertigen Gegners. »Ich spreche mit meinem Vater.«
»Es muß noch vor heute abend sein.« Samuel hatte gewonnen. Beide wußten es.
Draußen auf der Straße hielt der Prinz von Oranien seinen Einzug. Shockley und Forest gingen zur Tür.
»Clarendon ist hier«, bemerkte George gutgelaunt. »Glaubt Ihr, daß es zum Kampf kommt?«
»Nein. Ich denke, daß Jakobs Leute das Weite suchen.« Der junge Forest nickte gedankenverloren.
»Und auf welcher Seite steht Euer Vater in dieser Sache?« erkundigte sich Samuel ebenso gut gelaunt. Er hatte den Baronet seit
Weitere Kostenlose Bücher