Sarum
behalten. Außerdem haben wir Getreide.« Er nahm das Papier und ging zum Fenster, um es genau zu studieren, wobei er sich an die Holzvertäfelung lehnte. Als das Licht auf sein schmales, entspanntes Gesicht fiel, lächelte Jane still vor sich hin. Seltsam: Mr. Porters, der gebildete Mann, hatte in dieser Bibliothek so unbeholfen gewirkt; Jethro Wilson dagegen, der sich in ganzer Länge lässig gegen die Buchregale lehnte, tat dies ebenso selbstverständlich wie ein Gentleman, der sein Leben lang eine Bibliothek besessen hat. Lächelnd gab er ihr das Papier zurück. »Ich muß jetzt nach Barford, die Kinder besuchen.«
»Natürlich.«
Kurz nachdem er gegangen war, ging sie aufs Kathedralgelände und traf dort Mr. Porters. Er sah besorgt aus. Seit er zum erstenmal um ihre Hand angehalten hatte, war er nicht mehr so aufgeregt gewesen. »Oh, Miss Shockley, Ihr hattet einen – äh – Besucher.« Sie lächelte ihn gewinnend an. »In der Tat, Mr. Porters, woher wißt Ihr das?«
Er errötete. »Ich – es konnte mir nicht entgehen, da ich zufällig gerade vorbeikam.«
»Und Ihr seid immer noch hier.«
Sie blickte ihm in die verlegenen, ängstlichen Augen. »Miss Shockley, der Mann, der in Euer Haus ging, ist doch Jethro Wilson, nehme ich an.«
»So ist es.«
»Wenn Ihr mir erlaubt… Durch Mr. Mason wurde ich informiert, daß Ihr äußerst freundlich und großzügig ihm und seinen unglücklichen Kindern gegenüber wart. Sein Besuch in Eurem Haus war ungewöhnlich«, wagte er sich weiter vor. »O ja, gewiß.«
»Natürlich könnt Ihr nicht wissen, daß dieser Wilson einen gewissen… Ruf hat.«
»Wirklich?«
»Die beiden Kinder, zum Beispiel, sind vermutlich nicht seine einzigen.«
Das würde sie allerdings nicht im mindesten überraschen. »Man sollte im Umgang mit einem solchen Mann sehr vorsichtig sein, möchte ich meinen.« Er verneigte sich leicht wie ein Schulmeister, der einem Lieblingsschüler, der soeben einen Fehler gemacht hat, einen Rat gibt.
»Ich danke Euch, Mr. Porters«, erwiderte sie mit strahlendem Lächeln und ging höchst amüsiert zur High Street. Sie genoß den feuchtwarmen Aprilwind auf den Wangen.
In diesem Sommer begann der Hof sich zu erholen. Es waren bescheidende Anfänge, und natürlich warf Janes Investition noch nichts an Gewinn ab, doch immerhin waren es Lebenszeichen in der Wildnis. Jethro war anscheinend zufrieden. Ein- oder zweimal bat er sie bei ihren Besuchen nicht ins Haus, und sie meinte, flüchtig ein Frauengesicht hinter einem der oberen Fenster gesehen zu haben.
Mitunter jedoch, wenn sie sich unterhielten und sie seine Augen still auf sich ruhen fühlte, fragte sie sich, ob er irgend etwas für sie empfand. Oft, wenn sie aus der Stadt fort über die Hochebene ritt, hätte sie ihm gern ein Geschenk mitgebracht. Ab und zu nahm sie irgendeine Köstlichkeit mit, die sie selbst gern aß. Aber mehr hätte sie als unangemessen empfunden. Mit den Kindern verhielt es sich anders, und so brachte sie Jethro Kleinigkeiten für sie mit… Er nahm sie ohne jede Verlegenheit an.
Wenn sie nach ihren Besuchen zurückritt, wanderten ihre Gedanken zu den Gesichtern, die sie am Fenster gesehen zu haben glaubte. Wer waren wohl diese Frauen? Vielleicht Mädchen aus dem Dorf oder Bauersfrauen? Sie wollte nicht eine von denen sein; und doch träumte sie manchmal vor sich hin, wie es sein würde, wenn sie in einer anderen Welt lebte und von ihm geliebt würde. Dann lachte sie über sich selbst: Das, Miss Shockley, wirst du nie erfahren, dachte sie. Im Juli hatten sie eine Auseinandersetzung. Es war kurz nach dem großen Schafmarkt, als sie ihren ersten bescheidenen Erfolg verbuchen konnten. Als sie die Buchhaltung durchsah, schätzte sie, daß sie im nächsten März, wenn Jethros Pacht erneuert werden mußte, gut dastehen würden. Jane mußte sich jedoch auch sagen, daß sie mit nur fünfzig Morgen immer nur bescheidene Gewinne erzielen konnten, gleichgültig, wieviel sie einsetzten.
Sie brauchten mehr Land. Durch genaue Erkundigungen bei Landverkäufern fand sie, was sie suchte, und eines Tages, als sie neben der Gartenmauer standen, sagte sie: »Nächstes Frühjahr werden weitere fünfzig Morgen zur Pacht frei. Das Land ist nur eine halbe Meile weg. Ich finde, wir sollten es nehmen. Dann hätten wir hundert Morgen und größeren Gewinn.«
»Zuviel.«
»Es wäre rentabler.«
»Ich bin zufrieden mit dem, was ich habe.«
»Aber wir sollten mehr Platz haben.«
»Mehr Platz?« Er machte
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