Sascha - Das Ende der Unschuld
ihm endlich akzeptierten Umständen gut gehen konnte. Was ihm nicht passte, war der Gedanke an Jimmys Vorankündigung, dass es genau so kommen würde, wie es jetzt scheinbar gekommen war. In Gedanken tastete er sein momentanes Leben ab wie die Sohle eines fast durchgelaufenen Schuhs. Er hatte nicht bemerkt, dass Guido ebenfalls aufgewacht war.
„Was ist? Denkst du an sie?“
„Ja. Mensch, warum war ich so blöd anzunehmen, das könnte funktionieren? Jimmy hatte Recht. Aber ich habe mir wirklich eingebildet, ich sei nicht schwul.“
„Und jetzt weißt du es sicher? Wann warst du denn zum ersten Mal mit einem Mann zusammen?“
„Da war ich gerade zwölf.“
„Und du hast wirklich nach all der Zeit plötzlich geglaubt, ein Hete zu sein? Ich kann das einfach nicht nachvollziehen.“
„Denk nicht dran, ich begreife es ja selbst nicht mehr. Es kann nur daran liegen, dass ich etwas von meiner Kindheit zurückholen wollte. Meine Mutter ... ich mag sie sehr und sie konnte mir immer Wärme geben. Während mein Vater ... ach, lassen wir das. Es gibt Wichtigeres als meine Vergangenheit.“
„So? Was denn?“
„Uns.“
„Ich denke, uns gibt es nicht.“
„Halt mir das besser nicht vor, ich kann nämlich schrecklich schnell böse werden. Außerdem habe ich doch meinen Irrtum zugegeben. Reicht das nicht?“
„Wirst du zurückgehen?“
„Ich denke ja, schließlich ist es meine Wohnung.“
„Und wirst du sie tatsächlich heiraten?“
Sascha überlegte, dann antwortete er:
„Wenn ich ehrlich sein soll, ich weiß es nicht. Ich kann sie jetzt doch nicht einfach rauswerfen. Wir hatten eine ziemlich gute Zeit, ich liebe sie auf irgendeine Weise ja wirklich. Es ist ja nicht so, als hätte ich sie die ganze Zeit über belogen. Und sie liebt mich.“
„Aha, Plato lässt grüßen. Ein Grund mehr, nicht zu lügen.“
„Meinetwegen, nenn es eine platonische Liebe, aber das ist auch echte Liebe. Ich will ihr nicht weh tun.“
„Du solltest dir genau überlegen, was du tust. Wie auch immer du dich entscheidest – habe ich noch einen Platz in deinem Leben?“
„Natürlich. Ich mag dich doch.“
Damit rutschte er zu Guido, sie beendeten das Gespräch und begannen diesen Samstag mit Sex. Zuerst wollte Sascha schon mittags gehen, doch er verschob es auf den Abend. Schließlich wurde es Sonntagmorgen, ehe er sich endlich aufraffte und nach Hause ging.
✵
Vor seiner Wohnungstür zögerte er. Er hasste es, sich jetzt wieder einer Auseinandersetzung mit Stefanie zu stellen. Aber als er in die Wohnung kam und lauschte, hörte er zuerst nichts, was darauf hindeutete, dass sie dort war. Dann erst vernahm er ein leises Schluchzen aus dem Schlafzimmer. Er hängte seinen Schlüssel auf, es klimperte und schon im nächsten Moment rief sie seinen Namen. Sie kam in die Diele gerannt und fiel ihm um den Hals.
„Sascha, es tut mir so Leid. Ich wollte dich nicht provozieren. Wenn du sie nicht hier haben willst, werde ich sie nicht mehr einladen. Du bist mir wichtig, ich will dich nicht verlieren. Egal was war, lass mich nie wieder allein.“
Er war angenehm überrascht und geriet übergangslos wieder ins Schwanken. Sie hatte es nicht verdient, unter seiner Inkonsequenz zu leiden. Schließlich war nicht sie es, die von ihm verlangt hatte, abstinent zu leben. Er hatte sich dafür entschieden und alles getan, damit sie es ihm glaubte. Er drückte sie an sich und war nur noch einen kleinen Moment lang unsicher. Dann sagte er:
„Ist ja schon gut. Ich hätte auch nicht so ausflippen dürfen. Ich denke, wir werden es in Zukunft besser machen.“
Stefanie erwähnte die beiden Nächte, in denen Sascha nicht daheim war, nicht mit einem einzigen Wort. Es schien übergangslos alles so weiterzugehen, wie es vorher war. Sascha fühlte sich hin und her gerissen zwischen ihr und Guido.
Stefanie bemerkte seine innere Zerrissenheit natürlich und reagierte nur geringfügig missmutig, wenn er sich immer wieder damit herausredete, er wolle einen Spaziergang machen. Sie ahnte, dass es ein Mann war, der Sascha aus der Wohnung trieb. Trotzdem schwieg sie. Durch diese ihre Reaktion nahm Sascha schon bald fälschlicherweise an, sie habe sich mit dem Kompromiss abgefunden und wolle diesen Preis für ihr Zusammensein auch zahlen.
So kam der Tag der Hochzeit. Standesamtlich hatten sie bereits am Vortag geheiratet, heute würde die kirchliche Trauung folgen. Stefanie strahlte in ihrem überwältigenden, weißen Rüschenkleid und sie genoss die
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