Sascha - Das Ende der Unschuld
tote Kadaver zu verwandeln.
„Du willst ja nur diesen Kerl wiedersehen.“
Stefanie stellte die Kaffeetasse ziemlich hart auf den Unterteller und fuhr fort:
„Denkst du wirklich, du kannst so weitermachen wie bisher? Glaubst du, ich weiß nicht, wo du auf deinen angeblichen Spaziergängen warst? Du hattest vor der Heirat Zeit genug, dich zu entscheiden. Ich habe dir die Möglichkeit dazu gegeben, erinnerst du dich? Du hast mir das Jawort gegeben und das war erst gestern. Also darf ich doch wohl annehmen, dass du dich für mich entschieden hast.“
„Und du wolltest mich heiraten, obwohl du wusstest, dass ich was mit Guido habe?“
„Ich liebe dich und ich dachte, du hörst von selbst auf. Zwischen uns ist doch alles in Ordnung, wozu brauchst du ihn dann noch?“
„Ich wusste, dass du es geahnt hast. Und ich dachte, wir hätten ein stilles Übereinkommen. Ich gehe hin und wieder zu ihm, aber ich bin dein Mann, bei dir bin ich zu Hause. Mit dir verbringe ich mein Leben.“
„Und du dachtest wirklich, darauf würde ich mich einlassen? Was zum Teufel hältst du von mir? Du hast mir gesagt, du willst weg von den Schwulen und ich habe versucht, dich zu unterstützen. Und jetzt merke ich, dass du zu schwach bist, um diesen Trieb zu unterdrücken. Du machst es dir verdammt einfach.“
„Ich habe es mir überhaupt nicht einfach gemacht. Warum kannst du nicht einfach akzeptieren, dass ich ihn manchmal brauche? Ich liebe dich doch, mit dir möchte ich zusammen sein, nicht mit ihm. Ich werde nie über Nacht wegbleiben, du wirst überhaupt nicht merken, dass es ihn gibt. Das verspreche ich dir.“
„Ich werde es nicht merken? Ich habe mich ja schon damit abgefunden, dass wir kaum Sex haben. Ich hatte dir auch versprochen, dass ich dich nicht dränge. Aber wir hatten nicht einmal eine Hochzeitsnacht, ist dir das wenigstens aufgefallen? Der Typ war sogar so unverschämt und rannte dir bis zur Kirche hinterher. Er wollte mir diesen Tag verderben, er gönnt dich mir nicht. Er ist da, ich kann ihn mir nicht einfach wegdenken. Ich würde mir jedes Mal, wenn du aus dem Haus gehst ausmalen, dass du zu ihm gehst, weil ich dir nicht genüge. Und die Kraft habe ich nicht.“
„Aber das hast du doch vorher gewusst.“
„Gar nichts habe ich gewusst, du hast mich belogen. Wir sind jetzt verheiratet, Sascha. Und ich kann verlangen, dass du dich zusammennimmst. Wirst du es zumindest versuchen?“
Sascha nickte, obwohl er genau wusste, dass es nicht gelingen würde. Er wollte diese unerfreuliche Diskussion einfach nur beenden. Deshalb und weil er sie beruhigen wollte, holten sie gleich nach dem Frühstück die Hochzeitsnacht nach. Sascha tat das, was er jetzt für seine Pflicht hielt. Und der Oberbegriff Notwendigkeit machte es ihm noch schwerer, den Anforderungen zu entsprechen.
✵
Anfangs versuchte Sascha, den Kontakt mit Guido nur tagsüber während der Arbeitszeit zu pflegen. Die Kollegen tuschelten, mehr als einmal wurden sie beinahe in flagranti ertappt. Sie konnten den Eklat jedes Mal gerade noch abwenden. Mit der Zeit wurden die Quickies jedoch zu gefährlich. Und so begann Sascha, abends wieder auszugehen. Es gab stets einen bösen Streit mit Stefanie, den er jedoch in Kauf nahm. Schon lange freute er sich nicht mehr auf das Heimkommen, weil er die ständigen Vorwürfe kaum ertrug.
Selbst als er anfangs noch öfter die Abende mit seiner Frau verbringen wollte, schaffte sie es, manchmal auch ohne Worte die Atmosphäre so aufzuladen, dass er einfach fliehen musste. War es, weil sie um ihn herum putzte und ihn dabei vorwurfsvoll hin und her schickte oder weil sie stundenlang mit ihrer Freundin Sonja telefonierte, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, sie schaffte es irgendwie immer häufiger, dass er sie verließ.
Es kam der Abend, an dem Guido Sascha nicht gehen ließ. Es bedurfte keiner allzu großen Überredungskunst, Sascha war es müde geworden, vor dem Einschlafen mit seiner Frau zu streiten und sich gleich nach dem Erwachen Forderungen und Anweisungen anzuhören. Und so wachte er am nächsten Morgen im Bett seines Geliebten auf. Gemeinsam fuhren sie in Guidos Auto zur Arbeit. Den ganzen Tag über schwebte das abendliche Heimkommen wie ein Damoklesschwert über Saschas Kopf. Er wusste, dass das, was ihn abends erwartete, nicht besonders erfreulich werden würde.
Aber Stefanie vermochte es immer noch, ihn zu überraschen. Als er kam, saß sie im Wohnzimmer und schrie wider Erwarten nicht gleich los.
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