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Sascha - Das Ende der Unschuld

Sascha - Das Ende der Unschuld

Titel: Sascha - Das Ende der Unschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Claus
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nicht eilig heimzukommen. Ein zweites Mal an diesem Tag fuhr er an der Kirche vorbei und hätte beinahe das Steuer verrissen, weil er das Geschehen auf dem Gehsteig fast zu spät bemerkte. Wie elektrisiert erkannte er den fremden jungen Mann, der wild gestikulierend um sich schlug, während zwei Polizisten ziemlich rabiat versuchten, ihn in den Streifenwagen zu schieben. Claus stoppte, schaltete nervös die Warnblinkanlage an und sprang aus dem Fond. Er dachte nicht nach, handelte nur.
    „Hallo, was ist denn hier los?“, mischte er sich in das Gerangel ein.
    „Was wollen Sie?“, war die unfreundliche Antwort auf sein Eingreifen.
    „Was hat er getan?“
    „Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben. Fahren Sie bitte weiter.“
    Sascha tobte auch weiterhin, bis der Beamte ihm die Arme hinter dem Rücken in Handschellen legte. Der Schmerz der verdrehten Gelenke ließ ihn ruhiger werden, während er weiterhin mit dem Rücken zu Claus stand und diesen nicht sehen konnte.
    „Ich kenne ihn. Wir wollten uns hier treffen.“
    Claus hoffte inständig, man würde ihn nicht nach dem Namen fragen. Der Polizeibeamte reagierte weniger scharf als zuvor:
    „Der junge Mann ist total betrunken. Jemand hat ihn schlafend hier vorgefunden und als HP gemeldet.“
    „HP? Ist das kriminell? Oder ein bürokratisches Dogma?“
    Der Beamte bemerkte den unterschwelligen Tadel in dieser Frage wohl.
    „Er wurde als hilflose Person gemeldet. Zu seinem eigenen Schutz muss er hier weg. Wir wollen ihn mitnehmen, damit er in einer Zelle seinen Rausch ausschlafen kann.“
    „Das brauchen Sie nicht. Ich nehme ihn mit zu mir.“
    Der Beamte rief nach seinem Kollegen, der Sascha noch immer nicht aus seinem Griff gelassen hatte. Beide drehten sich um und jetzt fiel der Blick des Arretierten auf Claus. Trotz seiner Alkoholisierung erkannte er ihn.
    „Hilf mir, hol mich hier weg“, sagte er genau das Richtige.
    Die Wirklichkeit und seine Träume verwoben sich durch die Trunkenheit miteinander, für ihn war Claus kein Fremder mehr. Dieser wandte sich in seiner souveränen Art wieder an den ersten Polizisten und fragte:
    „Lassen Sie ihn gehen, wenn ich Ihnen meine Personalien gebe? Er hat nichts getan, ich denke, Sie haben kein Recht, ihn festzuhalten, wenn jemand da ist, der sich um ihn kümmert.“
    „Sie müssen mir meinen Dienst nicht erklären. Wenn Sie dafür sorgen, dass er von der Straße wegkommt, können Sie ihn mitnehmen. Wir schlagen uns nicht darum, Berichte zu schreiben wegen eines Volltrunkenen.“
    Claus trat einen Schritt auf Sascha zu.
    „Willst du mit mir kommen?“
    Ihre Blicke trafen sich flüchtig, Claus glaubte, durch den Ausdruck in den Augen seines Gegenübers, eine Hand zu spüren, die nach seinem Herzen griff und es zusammenpresste. Ihm wurde unvermittelt sehr warm. Um das zu überspielen, wollte er noch etwas sagen, als Sascha unvermittelt die Beine wegknickten und er bewusstlos im Griff des Beamten hing. Der mittlerweile eher ungewohnte Alkohol und das unregelmäßige Essen forderten ihren Tribut.
    „Sind Sie sicher, dass Sie die Verantwortung übernehmen wollen?“
    „Aber zweifellos. Ich denke, wenn es nötig wird, werde ich eher den Notarzt rufen als Sie, wenn er in einer ihrer Ausnüchterungszellen liegt und sich niemand um ihn kümmert.“
    Claus zögerte keine Sekunde, gab die geforderten Auskünfte und sorgte dafür, dass man Sascha die Handschellen abnahm. Er ließ ihn zu seinem Wagen bringen. Ohne Zeit zu verlieren, fuhr er los Richtung Marienburg. Erst vor der Villa begann er nachzudenken.
    Er schaute Sascha an, der noch immer besinnungslos im Gurt hing. Das Innenlicht des Mercedes beleuchtete die Szene und wie an jenem ersten Abend strich Claus dem Jüngeren das Haar aus dem Gesicht. Sein Mund wurde trocken, während seine Hand vorsichtig, als sei sein Gegenüber aus Glas, über dessen Wange strich.
    Er focht einen kurzen, aber heftigen Kampf mit sich selbst aus. Dabei versuchte er sich vor Augen zu führen, dass seine Mutter nicht mehr da war, um ihm einen Vorwurf zu machen. Trotzdem fiel es ihm schwer, Sascha mit ins Haus zu nehmen. Gerade noch war er sicher gewesen und jetzt schob er diesen Augenblick hinaus.
    Er konnte noch immer keinen Blick von Sascha wenden. Wieder spürte er diese beispiellose Zärtlichkeit in sich, als er in das schmale, schön geschnittene und irgendwie noch kindliche Gesicht schaute. Und erneut fiel ihm der schmerzliche Zug um die Lippen auf und seine innere Zerrissenheit

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