Sascha - Das Ende der Unschuld
Wanken.
Aber er musste trotzdem nicht lange nachdenken. Natürlich würde er Claus nicht mehr darauf ansprechen, wenn dieser darauf bestand. Sascha wollte ihn nicht deshalb verlieren. Und so rief er noch bevor Claus zu Hause sein konnte, bei diesem an und hinterließ die Nachricht, dass alles so bleiben würde, wie es war. Trotzdem blieb natürlich auch die übergroße Neugierde und eine für Sascha fast unerträgliche Vermutung.
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Claus rief Sascha am folgenden Tag an, jedoch nur, um ihn auf das darauf folgende Wochenende zu vertrösten. Er musste wegen einer Steuerprüfung ein paar Tage in Reichweite seiner Münchner Filiale bleiben. Es war genau die Zeit, in der Sascha das letzte verfügbare Geld von seinem Konto abholte. Nun war es ihm nicht mehr möglich, die Augen davor zu verschließen, dass er etwas tun musste.
Die Phase, in der er unbedingt bürgerlich sein wollte, war begünstigt durch seine neuerlich negativen Erfahrungen zweifelsfrei vorüber. Er wollte zwar nicht mehr zurück an den Bahnhof, aber trotzdem schien ihm das Verkaufen seines Körpers die lohnendste und auch naheliegendste Alternative zu einem schlecht bezahlten Hilfsarbeiterjob. Im Zuge dessen erinnerte er sich an das, was Marc vor langer Zeit vorgeschlagen hatte. Er schaltete einige Anzeigen in einschlägigen Zeitschriften und wartete auf Resonanz. Es war das erste Mal seit ungefähr drei Jahren, dass Sascha auf diese ihm verhasst strapaziöse, aber einträgliche Möglichkeit zurückgriff. In der Zwischenzeit war viel passiert, aber er konnte nicht erkennen, dass es ihm in diesem Zeitraum besser gegangen wäre. Deshalb machte er sich auch keine Gedanken darüber, dass er jetzt wieder da war, wo er einst anfing.
Beim ersten Kunden, den er draußen traf und dann mit in seine Wohnung nahm, hatte er trotzdem einige Schwierigkeiten. Allerdings legte der Freier kaum Wert auf Saschas Potenz, er ließ sich lediglich bedienen, benutzte Sascha als passiven Gehilfen, um dann zufriedengestellt abzuziehen.
Sascha bemerkte bei diesem ersten Mal sehr deutlich, dass ihm plötzlich etwas wichtig war, das er niemals für bedeutsam hielt. Es war die körperliche Treue zu einem einzigen Menschen. Dem Mann, zu dem er zu gehören glaubte. Er hatte seinen Körper so oft verkauft oder zum schnellen Sex benutzt, dass dies eine ganz neue Erfahrung für ihn war. Dass es so etwas gab, hatte er bisher immer für ein Ammenmärchen gehalten. Aber er fand sehr schnell einen Weg, den inneren Konflikt zu bewältigen. Wie er es bei Adrian gelernt hatte, schaltete er seine Gefühle aus, wenn er mit seiner Kundschaft zusammen war. Er spaltete das, was mit Fremden in seinem Bett passierte, von sich ab. Dieser Teil gehörte einfach nicht zu ihm und dem, was für ihn bedeutend war. Auf diese Weise freute er sich auch weiterhin auf jedes Wiedersehen mit Claus, ganz so, als habe sich gar nichts geändert.
Bis zum Januar hatte sich ihre Beziehung so weit gefestigt, dass Claus immer öfter die Abende bei Sascha verbrachte. Irgendwann hatte es sich ergeben und seither übernachtete er sogar hin und wieder in Wesseling. Er hatte außerdem einen eigenen Hausschlüssel, was ihrer Verbindung etwas Vertrautes zu geben schien.
Sie gingen öfter gemeinsam zum Essen, ins Kino oder nutzten freitags das Konzertabonnement, wobei Sascha sich sehr zusammennehmen musste, um Interesse vorzugaukeln. Claus zuliebe tat er es und wurde den Samstag über meist dafür entschädigt, weil sie zum Reitstall fuhren, wo Claus Sascha Reitunterricht gab. Inzwischen fühlte auch der Jüngere sich auf dem Pferderücken beinahe zu Hause, sie konnten gemeinsame Ausflüge in den Wald machen. Sascha nahm sich sehr viel Zeit für Salome, er erlangte das Vertrauen der nervösen Stute, begann damit, sie herumzuführen und wurde bereits nach kurzer Zeit jedes Mal ungeduldig von ihr erwartet und begrüßt. Es war einer seiner glücklichsten Tage, als Claus ihm die Stute schenkte. Reiten ließ sie sich von ihm noch nicht, aber er arbeitete daran. Irgendwann würde sie genügend Zutrauen zu ihm gefasst haben. Bis es soweit war, nahm er zu seinen Ausritten mit Claus einen Araberhengst namens Moritz, der zwar auch temperamentvoll, aber in keiner Weise unruhig war und sich gut führen ließ.
Die Villa in Marienburg hingegen sah Sascha seit jenem ersten Morgen nie wieder von innen. Nur einmal fragte er Claus, warum das so war, aber dieser wich ihm aus. So nahm Sascha es als gegebene Tatsache, auch wenn dieser
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