Sascha - Das Ende der Unschuld
hin, aber immer wieder richtete er sich mühsam auf und taumelte weiter. Er konnte nicht denken, die Furcht saß ihm im Nacken wie eine kalte Klinge und trieb ihn scheinbar endlos weiter. Irgendwann blieb er dann doch erschöpft stehen und ließ sich auf die Knie fallen. Das Atmen schmerzte ihn, mit offenem Mund kämpfte er mit der feuchten, kalten Luft um jeden einzelnen Atemzug. Dann hörte er ein Knacken hinter sich.
Er zuckte zusammen und ließ sich zur Seite rollen. Mit angehaltenem Atem lauschte er und hörte sein eigenes Herz überlaut schlagen. Der Laut wiederholte sich nicht, aber Sascha kauerte gefesselt von seiner Furcht noch lange regungslos im Unterholz. Immer plastischer malte er sich dabei aus, was der Mann alles hätte mit ihm machen können, sah sich schon als unbekannten Leichenfund irgendwo am Rande der A3 liegen und erkannte ein weiteres Mal, auf welches Leben er sich da freiwillig eingelassen hatte. Die Kälte kroch in seine Glieder, er fror entsetzlich. Seine Augen starrten blind weit aufgerissen in die Schwärze der Nacht. Der Wald gab ihm zwar Schutz, machte ihn aber auch unsicher, weil er den Mantel der Dunkelheit auch über mögliche Gefahren breitete.
Erst sehr viel später nahm Sascha allen Mut zusammen. Der Mann schien ihm nicht gefolgt zu sein, deshalb versuchte er den Weg zurückzugehen, den er gekommen war. Ein paar Mal verlor er die Orientierung, er merkte es nur daran, dass der Rückweg viel länger schien. Dann hatte er den Parkplatz erreicht. Vorsichtig sah er sich um, aber es stand kein Auto mehr da. Er war allein und atmete auf. Gleichzeitig jedoch schwand alle Kraft aus seinen klammen Beinen und er ließ sich auf eine der Holzbänke nieder. Jetzt brachen die Tränen aus ihm heraus, sie zogen kalte Linien auf sein von Ästen zerkratztes Gesicht. Er vergrub es in seinen Händen.
Hätte er doch auf seinen Freund gehört. Wenn Marc doch nur hier wäre. Aber diese Einsicht kam zu spät und brachte nichts. Sascha machte sich nach einer Weile auf den Weg zurück und lief an der Autobahn entlang. Kurz dachte er darüber nach, das letzte Stück per Anhalter zu fahren, aber er ließ es sein. Zu sehr saß ihm der Schrecken noch in den Gliedern.
Er legte die gesamte Strecke zu Fuß zurück, war stundenlang wie automatisch gelaufen. Nun glaubte er, als er die letzten Meter bis zum Haus zurücklegte, keinen Schritt mehr gehen zu können. Mit letzter Kraft und aufgescheuerten Füßen kam er ins Zimmer, ließ sich sofort auf die Matratze fallen, deckte sich zu, ohne die feuchten, schmutzigen Sachen auszuziehen und schlief vollkommen entkräftet ein.
„He, wach endlich auf.“
Die Stimme drang noch nicht ganz in Saschas Bewusstsein, er drehte sich auf die andere Seite, wollte nicht auftauchen aus dem Vergessen seines Schlafes.
„Sascha, komm schon.“
Jemand rüttelte ziemlich unsanft an Saschas Schulter, dieser wehrte instinktiv ab und wich bis an die Wand zurück.
„Schon gut, ich tu dir doch nichts. Sascha, ich bin’s – Marc.“
Jetzt erst klärte sich die Umwelt in Saschas Begriffsvermögen, er öffnete die Augen und sah in Marcs Gesicht.
„Ach, du bist es. Ich dachte, es ...“
Er ließ den Satz unvollendet, aber Marc war klar, dass etwas passiert sein musste.
„Was war denn los? Wie siehst du eigentlich aus, bist du unter einen Zug gekommen?“
Sascha bemerkte, dass er mit drei Decken zugedeckt worden war und spürte gleichzeitig, dass seine Sachen ihm noch immer feucht am Körper klebten. Er richtete sich auf und Marc zündete eine Zigarette an, die er ihm reichte.
„Na, erzähl schon.“
Und Sascha berichtete.
Während er nach den richtigen Worten suchte, kamen ihm immer wieder die Tränen. Marc ließ ihn ohne zu unterbrechen ausreden. Als Sascha schließlich geendet hatte, nickte er abgeklärt.
„Was willst du denn? Es ist doch gut gegangen. So was kann passieren, vielleicht erinnerst du dich mal daran, dass ich dich gewarnt habe. Ich hatte gleich ein blödes Gefühl, als du unbedingt mit ihm gehen wolltest. Aber du warst ja so cool und hast dich durch die dummen Schmeicheleien von ihm in die Tasche stecken lassen. Jetzt hast du auf jeden Fall eins gelernt... es gibt nicht nur gute Onkels und egal, wie schön es sich anhört, was sie von sich geben, sie lügen. Es wird Zeit, dass du kapierst, dass nicht alle wie ich sind und dich beschützen wollen. Das Leben draußen ist hart, auch wenn einer so eine süße Larve hat wie du.“
„Na toll. Du weißt ja
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