Sascha - Das Ende der Unschuld
nur darauf an, sich so korrekt wie möglich zu verhalten, dann wurde man auch nicht schlecht behandelt. Sascha schrieb es seiner Umgänglichkeit zu, die sich von Marcs Dreistigkeit abhob, dass er von Adrian geachtet wurde. Aber Marc hätte ihm wahrscheinlich sowieso nicht geglaubt, zu schlecht war seine Meinung von den Männern, die er, wie Sascha jetzt zu wissen glaubte, selbst dazu anregte, ihn herabzuwürdigen.
Sascha hatte Marc mittlerweile verziehen, dass er ihn in Köln allein sitzen ließ. Jetzt, wo es ihm gut ging, glaubte er großzügig, seinen Freund zu verstehen. Er hatte damals genug damit zu tun, sich selbst durchzubringen, da war in seinem Leben kein Platz für eine weitere Verantwortung.
Der scheinbare Treuebruch von Marc wog also jetzt nicht mehr ganz so schwer. Im Gegenteil, Sascha hätte gern mal wieder mit einem Gleichaltrigen gesprochen, ein bisschen geblödelt. Aber Adrian hielt ihn von allem fern und wusste es dabei so einzurichten, dem Dreizehnjährigen nicht klar werden zu lassen, dass er ihn auf diese Weise abhängig machte. Bei der Art, in der Adrian Sascha bei sich hielt, traf die Floskel vom goldenen Käfig zu. Der Ältere machte keine Anstalten, Sascha sexuell zu bevormunden. Dafür gab er ihm Zärtlichkeit.
Abends vor dem Fernseher kuschelten sie, Sascha lag mit dem Kopf auf Adrians Schoß und dieser spielte mit den langen Haaren des Jungen. Sascha war derartig sanfte Berührungen nicht gewöhnt, er genoss die Zärtlichkeit, die Adrian ihm entgegenbrachte und war sich mittlerweile sicher – dieser Mann liebte ihn.
Sascha begann in diesen sechs Wochen über seine Gefühle nachzudenken. Er fragte sich, warum er schon nach zwei Stunden Trennung am Fenster stand und auf Adrian wartete. Sobald der Ältere aus dem Haus war, begann Sascha sich nach seiner Gegenwart, seinen Berührungen zu sehnen. Er konnte sich auf nichts konzentrieren, war vollkommen auf Adrian fixiert, was dieser mit Interesse und Befriedigung zur Kenntnis nahm. Für ihn entwickelte sich die Sache wunschgemäß.
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Sascha lebte nun beinahe schon zwei Monate bei Adrian und konnte sich ein anderes Leben kaum noch vorstellen. Sobald Langeweile aufkam, rief er sich das Leben, das er noch vor kurzem führen musste, ins Gedächtnis zurück. Er glaubte, den Hunger wieder zu spüren, fühlte die klebrig schmutzigen Sachen auf seiner Haut. Daraufhin war er stets sofort sicher, ein bisschen Langeweile war immer noch besser als ein Leben auf der Straße.
Es kam ein Abend im Mai, an dem Adrian Sascha zum Essen ausführte. Hinterher besuchten sie eine Schwulenbar in der Nähe der Alten Wache. Sascha tanzte den halben Abend, genoss wieder die Beachtung, die man Adrian entgegenbrachte und war stolz, dass er sich in Begleitung dieses Mannes befand. Er hatte erstmalig die Möglichkeit, sich mit anderen Jugendlichen zu unterhalten. Es kamen ein paar Anspielungen auf Adrian und sein Umfeld, aber Sascha tat nur kund, ihm selbst könne nichts passieren, ihn würde Adrian lieben. Er erntete meist nur höhnisches Grinsen und fand einmal mehr, dass Adrian all diese blöden Kids voll ersetzen konnte. Er fühlte sich reif und viel erwachsener als die anderen.
Es war gegen zwei Uhr in dieser Nacht und Adrian saß mit ein paar Männern am Tisch. Er gab ihnen mit unbewegtem Gesicht irgendwelche Anweisungen und Sascha sollte nicht dabei sein. Ihn interessierte das alles auch nicht, deshalb war er meist auf der Tanzfläche und tobte sich aus. Doch plötzlich flog die Tür auf und innerhalb weniger Minuten wimmelte es in der Bar von Polizisten. Plötzlich lagen Briefchen mit Drogen auf dem Boden, einige Gäste versuchten das Chaos zu nutzen, um hinauszukommen. Hektisch sah Sascha sich um, sein Blick suchte Adrian. Aber dieser war nirgendwo zu sehen.
Sascha konnte die ganze Zeit nur daran denken, dass die Polizei ihn wieder heimbringen würde; dies und der allgemeine Stress, die Panik sowie der blinde Aktionismus brachten ihn völlig durcheinander. Er drückte sich hinter einen der Spiegelpfeiler und zitterte am ganzen Leib. Dann hatte man ihn entdeckt. Der Beamte, der den sich windenden Sascha mit sich zog, stellte keine Fragen. Die Gäste wurden lediglich vorsortiert. Einige duften gehen, während man diejenigen, die sich nicht ausweisen konnten, mitnahm. Dazu gehörte auch Sascha.
Es war klar, dass die Polizei herausfand, wo er hingehörte, obwohl er über sein Zuhause schwieg. Und so wurde er bereits am nächsten Tag nach Köln transportiert
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