Sascha - Das Ende der Unschuld
sich meldete. Ein paar Minuten sagte Adrian gar nichts, dann überschrie er Saschas aufgeregte Stimme einfach.
„Sascha. Verdammt, halt den Mund. Ich hatte dir verboten, anzurufen. Was soll das?“
„Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin so unruhig. Ich hab Angst und alles tut mir weh. Adrian, wann kommst du denn endlich wieder? Ich brauch dich doch hier und ich brauch auch meine Pillen.“
„Jetzt halt die Luft an. Ich habe dir gesagt, du sollst im Bett bleiben, bis ich dich anrufe. Ich besorge was, aber bis dahin ist von deiner Seite aus Sendepause. Kapiert? Ich rufe dich an.“
Damit unterbrach er das Gespräch und Sascha starrte den Hörer an, als sei er sein ärgster Feind. Dann hörte er wie aus weiter Ferne Jennifers Stimme.
„Du blutest ja, der ganze Teppich ist voll. Schau.“
Sascha sah an sich herunter und entdeckte die blutigen Fußstapfen auf der von Adrian so gepflegten schneeweißen Lammfellbrücke. Umgehend kam er in Panik, murmelte etwas davon, dass Adrian ihn totschlagen lassen würde und verschwand in der Küche, um mit Eimer, Scheuermittel und Bürste zurückzukommen. Wie ein Wilder begann er an den Flecken zu reiben und machte es dadurch noch schlimmer, während seine Füße weiter bluteten. Er hatte in der Küche in die Scherben des am Vorabend zu Bruch gegangenen Medikamentenfläschchens getreten, ohne dass dieser Schmerz sein Allgemeinbefinden überlagern konnte. Er hatte nichts von den Schnitten bemerkt.
Jennifer versuchte, ihn von seinen Aktivitäten abzubringen, hatte jedoch keinen Erfolg. Sascha benahm sich wie ein Tobsüchtiger, unter Tränen schrubbte er auch weiterhin die Brücken, bis ihm schließlich schlecht wurde. Er brach über dem Eimer zusammen und als Folge dessen ergoss sich nun auch noch das Laugenwasser über den Teppich. Nun lag er mit dem Kopf halb in der Pfütze und reagierte nicht mehr.
Jennifer, die sich wie der Statist in einem Psychothriller vorkam, war vollkommen überfordert. Sie hatte sich dies alles ein bisschen anders vorgestellt. Nicht nur, dass Sascha sie kaum beachtete, er war körperlich mittlerweile schon so fertig, dass ihm mit normalen Mitteln nicht zu helfen war. Außerdem hatte sie wohl angenommen, ihre Hilfsbereitschaft würde ein romantisches Interesse in dem Jungen wecken. Aber weit gefehlt.
Das Mädchen beschloss, trotzdem zu bleiben. Sie wollte Sascha beistehen und zerrte ihn aus der Nässe. Da ihr die Kraft fehlte, ihn auf die Couch zu legen, verteilte sie Wolldecken und Kissen auf der Erde und rollte den Ohnmächtigen dorthin, damit er weicher lag. Da Sascha mittlerweile angefangen hatte zu frieren, seine Zähne dabei aufeinander klapperten wie spanische Kastagnetten, deckte sie ihn mit der Steppdecke aus seinem Bett zu. Eine Weile lag er ruhig, sie saß auf einem Sessel neben ihm, beobachtete jede seiner Bewegungen und überlegte. Ihr war klar geworden, dass Sascha hochgradig medikamentenabhängig war und sie sicherlich nicht genügend Körperkräfte besaß, um ihn ruhig zu halten. Dennoch wollte sie nicht aufgeben. Irgendetwas in ihrem Inneren hielt sie im Haus ihres Vaters fest, befahl ihr bei Sascha zu bleiben. Konnte es sein, dass sie sich verliebt hatte, ohne auch nur das Geringste über den Jungen zu wissen? Das Einzige, das sie zuverlässig wusste war, dass er wohl schwul war und für ihren Vater anschaffte. Das sollte sie eigentlich eher abschrecken als ermuntern. Aber dem war nicht so. Egal, was eventuell daraus wurde, sie wollte bleiben.
Von einer Sekunde zur nächsten begann Sascha erneut zu toben. Mit geschlossenen Augen warf er sich herum, schleuderte die Decke von sich und murmelte für Jennifer unverständliche Worte. Sie versuchte, ihn zu beruhigen und wurde dabei öfter von seinen Armen oder Beinen getroffen.
„Sascha, du tust mir weh. Bitte, hör auf.“
Natürlich hörte er sie nicht, wütete weiter, bis sie sich zurückzog, um seinen Treffern zu entgehen. Ratlos saß sie auf dem Sessel und starrte Sascha an, bis eine weitere Veränderung in ihm vorging. Plötzlich öffnete er die Augen, lag auf dem Boden als sei er dort auf dem Rücken angenagelt und sah furchtsam, aber blicklos an die Decke.
„Was willst du? Ich kann sie nicht anfassen – nein, ich kann nicht. Bitte, Marc.“
Jennifer kniete umgehend neben Sascha nieder und nahm seine Hand, die wie eine Herdplatte glühte.
„Was denn? Was kannst du nicht anfassen?“
„Sie ist schon kalt. Ich kann sie nicht anfassen. Ich kann nicht.“
Jennifer
Weitere Kostenlose Bücher