Sascha - Das Ende der Unschuld
verständnislos das Geschehen. Seine Worte erreichten zwar Saschas Ohren, aber nicht dessen Verstand. Es war, als wolle er schlagartig all die Schmerzen und Demütigungen an Adrians Möbeln auslassen. Dabei schien er die Gegenwart des uneingeschränkt mit sich selbst beschäftigten Hausherrn vollkommen zu vergessen.
Er riss die Pflanzen aus den Töpfen und beschmierte mit der feuchten Erde die weißen Wände. Gleich anschließend hing er sich an die Lampen und als sie aus ihrer Verankerung brachen, wäre eine davon beinahe auf seinem Kopf gelandet. Das Metall streifte lediglich seine Schulter, aber es tat ihm weh. Er reagierte darauf, indem er zu allem Überfluss begann, in seiner unkontrollierten Wut auch noch zu brüllen und trat immer wieder auf das Gestell ein. Scherben flogen herum.
„Bist du sicher, dass du nichts von dem Zeug getrunken hast? Hey, Sascha, es reicht.“
Marc versuchte, seinen Freund festzuhalten, aber dieser entwickelte Kräfte, die man ihm nicht zugetraut hätte und setzte sein Zerstörungswerk fort, bis er schließlich völlig erschöpft aufhörte und sich auf die demolierte Lehne der kleineren Couch niederließ.
„Fertig?“
Sascha schaute von unten her durch seine dichte Mähne, die wild sein Gesicht bedeckte. Er lächelte verlegen und nickte.
„Dann können wir jetzt also gehen?“
Sascha nickte erneut, fügte dann aber an: „Du hast nichts gemacht. Warum nicht?“
„Mir hat er ja nichts getan. Ich halte nichts von kriminellen Handlungen aus Kameradschaft. Ich bin schließlich kein Skinny. Außerdem hast du allein mehr geschafft als ich in drei Monaten vernichten könnte. Mir tun die schönen Sachen immer Leid.“
„Na toll. Mir hat er aber was getan. Bist du nun mein Freund oder nicht?“
„Okay, okay.“ Marc schaute sich um und entdeckte in all den Trümmern den wie durch ein Wunder noch unbeschädigten, weißen Ledersessel. Er ging hin, öffnete die Hose und im nächsten Moment plätscherte es auf die Sitzfläche.
„Zufrieden? Kacken muss ich gerade nicht.“
In die plötzliche Stille hinein hörte man den Motor eines Wagens, der vor der Tür anhielt. Marc schaute durch das Fenster und erkannte Bernd, der in Begleitung von drei anderen Männern ausstieg. Marc wurde plötzlich alles klar. Gerade eben hatte er sich noch gewundert, dass der Zuhälter seinen neuen Freund wegschickte und allein mit ihnen geblieben war. Aber jetzt glaubte er zu wissen, dass Adrian Bernd den Auftrag gab, Helfer zu organisieren. Diese sollten die beiden unter Drogen vielleicht tobenden Jugendlichen wegbringen.
„Komm. Wir haben keine Zeit mehr. He, wo zum Teufel ist der Hinterausgang?“
„Durch die Küche.“
Marc griff sich das Geld und rannte los. Erst am Durchgang bemerkte er, dass Sascha ihm nicht folgte.
„Was ist ... komm schon.“
Aber Sascha starrte bewegungslos auf Adrian, der inzwischen auf dem Rücken lag, zufrieden mit seinen Füßen spielte und hin und her rollte, als sei er Ben der Bär. Marc erkannte, dass Sascha im Begriff war, auf den Mann vor sich einzutreten. Aber dann überlegte er es sich. Trotz seines Tobsuchtsanfalls brachte er es nicht über sich, einen Wehrlosen zu verletzen. Dafür spuckte er ihn an und murmelte für Marc, der nun seinerseits vor Nervosität beinahe ausflippte, unverständliche Worte. Erst als Sascha den Schlüssel vernahm, der sich im Schloss der Haustür drehte, schien er zu erwachen und lief Marc hinterher. Gerade noch rechtzeitig konnten sie durch die Terrassentür fliehen.
✵
Es sah aus, als ob Sascha durch den praktizierten Vandalismus die Reste seiner selbstzerstörerischen Aggression abgebaut hatte. Es war nicht zu leugnen, es ging ihm gut, auch wenn Marc ihn weiterhin einen Feigling schimpfte. Sie fuhren von Adrians Haus aus direkt in die City. In einer Spielhalle verzockten sie weit über tausend Mark, bezahlten auch anderen Anwesenden Spiele und gaben Getränke aus. Sie gingen essen, tranken später in einer Bar Champagner und beendeten die Nacht mit einer dreistündigen Taxi-Spazierfahrt, ehe sie sich nach Hause bringen ließen. Dabei schwamm Sascha die ganze Zeit über hoch oben auf einer euphorischen Welle von Zufriedenheit in den Tag seines Geburtstages hinein. Mark hatte ihn so nie erlebt, ließ sich jedoch vollkommen darauf ein. Es war wie immer im Stricherleben – es gab entweder Sekt oder Selters. Im Moment war Sektzeit, das musste man genießen und bis zur Neige auskosten. Sie wurden ihrer Meinung nach viel zu früh,
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