Sascha - Das Ende der Unschuld
versicherte sich, dass er nichts vergessen hatte. Dann schloss er auf und drückte sich an dem Besucher vorbei, der gerade von einer der Huren kam.
Fest presste er den Sack an sich. Er konnte sich nicht helfen, auf dem Weg ins Zimmer hatte er das Gefühl, jemand beobachte ihn.
Hoffentlich war niemand von den anderen da. Aber dem war natürlich nicht so, heute hielten sich sogar gleich sieben Kids dort auf. Nur am Rande registrierten die, welche nicht schliefen, Sascha, der sich sofort auf die letzte freie Matratze niederließ. Er glaubte, jeder könne in seinem Gesicht lesen, was in dem ängstlich überwachten Sack war. Er zündete sich eine Zigarette an und war geneigt, um Marcs Rückkehr zu beten. Sein Freund würde wie immer wissen, was jetzt zu tun war. Aber Marc kam nicht. Saschas Augenlider wurden immer schwerer. Inzwischen lag er mit dem Kopf auf dem Rucksack. Seine Nägel bohrten sich immer dann in die Innenseiten seiner Hände, wenn der Schlaf übermächtig sein Recht forderte. Trotzdem schlief er irgendwann ein, um schon eine knappe Stunde später hochzufahren, als habe jemand dicht neben seinem Ohr eine Panzerfaust abgefeuert. Hektisch tastete er nach dem Sack, dann zündete er sich wieder eine Zigarette an. Wo blieb Marc bloß?
Mittlerweile war es beinahe fünf Uhr am Morgen. Es kam selten vor, dass sein Freund so lange wegblieb. Sascha stopfte sich die kleinen Lautsprecher seines Discmans in die Ohren und drehte den Lautstärkeregler ganz auf. Bon Jovi’s „Living On A Prayer“ sollte ihn daran hindern, wieder einzuschlafen. Es verging noch eine weitere Stunde, ehe die Tür geöffnet wurde. Es war Marc, aber schon auf den ersten Blick erkannte Sascha, dass sein Freund Mühe hatte, aufrecht zu gehen. Sascha war von einer Minute auf die andere wieder hellwach, er sprang auf und verhinderte, dass Marc einfach zusammenbrach. Vorsichtig geleitete er ihn zu der Matratze und unter verhaltenem Stöhnen ließ Marc sich dort nieder.
„Was ist passiert?“
Sascha musste auf die Antwort warten, dann erst sagte Marc:
„Ich bin irgendwie an den Falschen gekommen. Der hat mich durch den Fleischwolf gedreht. Und was das Schlimmste ist, dieser Scheißkerl hat nicht mal bezahlt.“
Sascha sah die vielen Blessuren im Gesicht seines Freundes.
„Kann ich dir irgendwie helfen? Mensch, ich denke, du triffst dich öfter mit ihm. Das hat er ja noch nie gemacht.“
Marc verschwieg weiterhin, wo er all die Male wirklich war und wofür er das gesparte Geld verwenden wollte.
„Ach egal, jeder zieht doch mal die Arschkarte. Ich würde allerdings etwas für Zahnschmerztabletten geben. Der Brutalo hat mir einen Zahn rausgekloppt. Scheiße, als ob die Dinger nachwachsen würden ...“
Er grinste Sascha an und dieser bemerkte erst jetzt die Lücke in der unteren Zahnreihe. Gemeinsam gingen sie ins Bad, denn einige der anderen Kids beschwerten sich schon. Es war nicht ungewöhnlich, wie gleichgültig sogar Straßenkinder untereinander sein konnten. Marc bemerkte nicht, dass Sascha den Seesack mit sich schleppte, er hatte genug mit seinen Schmerzen zu tun. Sascha gab sich alle Mühe, Marc dazu zu bringen, sich auszuziehen. Aber dieser weigerte sich standhaft. So konnte Sascha sich lediglich um die Wunden kümmern, die die Arme und das Gesicht seines Freundes bedeckten. Er tupfte sie mit feuchten Tempotüchern ab. Als etwas von Marcs Blut dabei an seine Finger kam, wich dieser zurück.
„Pass doch auf, du Kasper. Willst du dich anstecken?“
Sascha schüttelte den Kopf und machte weiter, als habe er den Einwand nicht gehört. Schließlich sagte er:
„So geht das nicht. Du legst dich jetzt hin und ich suche eine offene Apotheke. Wir brauchen Verbandszeug und Schmerzmittel.“
„Ach ja? Und wovon willst du den Kram bezahlen? Ich habe doch gesagt, dass der Typ mich beschissen hat. Ich bin vollkommen pleite. Oder hast du was verdient?“
Jetzt war für Sascha der Zeitpunkt gekommen, Marc in den Glücksfall, von dem er nicht wusste, ob es wirklich ein solcher war, einzuweihen. Er zog den Sack heran und Marc schaute ihn ungläubig an.
„Gehört das Ungetüm etwa dir? Wo hast du den denn her? Bist du unter die Matrosen gegangen?“
„Mach die Augen zu.“
„Was?“
„Los, Augen zu. Nun mach schon.“
Marc schüttelte zwar den Kopf, kam aber der Aufforderung nach. Ein zweites Mal in dieser Nacht wurde der fragwürdige Inhalt auf den Boden geleert.
„So, jetzt kannst du gucken.“
Marc öffnete die Augen. Sein
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