Sascha - Das Ende der Unschuld
zu, dass er in der Nähe der Schließfächer in einer Ecke einfach einschlief. Es war reine Glückssache, dass die Bahnhofspolizei ihn dort nicht aufgriff. Geweckt durch Stimmen wusste er erst nicht, wo er war. Als er vorsichtig um die Ecke schaute, fiel sein Blick auf vier Männer ganz in seiner Nähe. Sie sahen ihn nicht und er beobachtete sie eine ganze Weile.
Es kristallisierte sich heraus, dass drei der Männer sich auf das Einschüchtern des vierten konzentrierten. Sie schrieen ihn an, stießen ihn Richtung Wand und durchsuchten ihn.
Sie wurden mit der Zeit lauter, Sascha erkannte die beschwichtigenden Gesten des Angegriffenen. Doch es schien ihm nichts zu nützen, die Attacken wurden brutaler. Sie trieben ihn vor sich her in Saschas Richtung und dieser zog sich zurück in seine Ecke, wo er sich so klein wie möglich machte. Die Stimmen waren jetzt ganz nah. Sascha verstand, dass es um etwas ging, von dem die Zielscheibe der Misshandlung immer wieder behauptete, er habe es nicht. Sascha entnahm dem Verlauf des handgreiflichen Gesprächs, dass es um Kokain ging, konnte jedoch nichts Näheres herausfinden, da die Männer teilweise russisch sprachen. Plötzlich hörte er einen harten Schlag und zuckte zusammen. Direkt vor ihm an der Ecke auf dem Boden sah er kurz den dunklen Haarschopf des gerade eben niedergeschlagenen Mannes. Dabei klimperte etwas leise.
Sascha konnte das Geräusch erst nicht einordnen. Dann jedoch bemerkte er, dass eine kurze Strecke neben seinem Bein ein einzelner Schlüssel lag. Er war durch die Wucht des Aufpralls wohl aus der Tasche des Mannes gefallen und Sascha vor die Füße gerutscht. Der Mann wurde jetzt wieder weggerissen, sein Haarschopf verschwand und die Stimmen entfernten sich etwas. Sascha angelte mit dem Fuß nach dem Schlüssel, erreichte ihn auch und nahm ihn an sich. Er erkannte, dass es der Schlüssel zu einem der Schließfächer hinter ihm war und steckte ihn ein. Er dachte dabei nicht über mögliche Konsequenzen nach, er sah nur den eventuellen Vorteil.
Neugierig schaute er behutsam wieder um die Ecke. Die Männer hatten sich noch weiter entfernt und jetzt sah der Junge auch den Grund. Zwei Bahnhofspolizisten näherten sich und die eben noch so aggressiven Männer hatten aufgehört, auf den mittlerweile schon stark angeschlagenen Genossen einzuprügeln. Statt dessen nahmen sie ihn zwischen sich und gingen an den Polizisten vorbei Richtung Ausgang. Sie wurden nicht aufgehalten.
Als sie schließlich verschwunden waren, konnte sich Sascha endlich seiner Fundsache widmen. Nachdem er sich versichert hatte, dass die Polizisten wieder umgedreht hatten, erhob er sich. Er ging zu den Schließfächern und verglich die Nummern. Es dauerte eine Weile, bis er das richtige Fach gefunden hatte. Hastig schloss er auf und fand einen grünen Seesack. Er nahm ihn heraus und hatte es plötzlich sehr eilig, ebenfalls den Bahnhof zu verlassen. Er nahm sich nicht die Zeit nachzusehen, was der Sack enthielt, sondern ging immer weiter, bis er zu Hause ankam. Dort schloss er sich im Badezimmer ein.
Erst jetzt fand er die Ruhe, sein Beutestück zu inspizieren. Er rechnete mit einer Menge weißem Pulver, hatte sich schon Gedanken gemacht, ob es eine Möglichkeit gab, Kokain abzusetzen. Dabei war ihm die Gefährlichkeit einer solchen Aktion natürlich bewusst, deshalb hielt sich seine Begeisterung ziemlich in Grenzen. Ihm war weiter klar, dass für Marc und ihn ein Geschäft mit gestohlenen Drogen um einige Nummern zu groß war.
Jetzt zog er das Lederband auf und kippte den Inhalt einfach auf den schmutzigen Linoleumboden. Zuerst glaubte er seinen Augen nicht trauen zu dürfen, aber das grelle Licht der nackten Glühbirne belehrte ihn eines Besseren. Es waren keine Drogen, die da vor ihm auf einem beträchtlichen Hügel lagen. Es gab keinen Zweifel, dort lag ein Haufen Geld.
✵
Es verging beinahe eine halbe Stunde, in der Sascha mit offenem Mund auf dem Rand der schmutzigen Toilettenschüssel saß und das Geld anstarrte. Visionen tauchten vor seinem geistigen Auge auf und verschwanden wieder. Nie wieder arm sein, sich nie wieder verkaufen müssen. Jemand sein, den andere achteten und mit dem Geld Adrian schaden. Vor Sascha drehte sich alles. Was würde Marc dazu sagen?
Erst ein ziemlich kriegerisches Klopfen schreckte ihn aus seinen Wachträumen auf. Jemand wollte zur Toilette und Sascha musste das Feld wohl oder übel räumen. Hastig stopfte er die Geldbündel wieder in den Sack und
Weitere Kostenlose Bücher