Sascha - Das Ende der Unschuld
dem Vermieter unterwegs. Im Kellergeschoss des Hauses befand sich eine Art Nachtclub. Er war allerdings geschlossen, obwohl in der Zeitung stand, man solle sich dort melden. Sie klingelten irgendwo im Haus und erfuhren, dass der Hauseigentümer um die Ecke am Friesenwall wohnte. Wenig später saßen sie einem ungefähr fünfzigjährigen Mann gegenüber, an dem als Erstes die große, blaurote Kartoffelnase auffiel.
„Der säuft“, wisperte Marc Sascha zu und dieser nickte.
Sie konnten nicht abschätzen, ob diese Feststellung ihre Chancen verbessern oder verschlechtern würde. Mit dem tatsächlichen Verlauf des Gesprächs hatten sie dann jedoch am allerwenigsten gerechnet.
„Ihr wollt also die Kneipe pachten?“
Alkoholschwaden überfielen die Nasen der beiden, sie sahen sich an und verzogen das Gesicht.
„Kneipe? Wir sind wegen der Wohnung hier“, antwortete Sascha.
„Die Wohnung? Ja, die ist dabei. Sechzehnhundert Mark für beides. Ich weiß, das ist billig, aber der Laden muss auf Vordermann gebracht werden. Der letzte Pächter hat alles verkommen lassen.“
Wieder sahen sich die beiden an, jetzt jedoch spiegelte sich ein gemeinsamer Gedanke in ihren Augen wider. Marc ergriff das Wort, ohne sich vorher mit Sascha abzusprechen.
„Können wir es mal sehen?“
„Warum nicht. Obwohl ihr ziemlich jung zu sein scheint.“
„Ich bin volljährig. Und das Geld habe ich auch“, widersprach Marc und setzte Saschas Einverständnis dabei einfach voraus.
✵
So kam es, dass Marc unvorhergesehen offizieller Pächter einer vollkommen heruntergekommenen Kneipe und Mieter der direkt darüber liegenden, auch nicht viel besser aussehenden Wohnung wurde. Sie hatten lediglich die erste Miete bezahlen müssen, der Vermieter verlangte weder Kaution noch Abstandszahlungen, allerdings hätte er dann auch Schwierigkeiten gehabt, überhaupt einen Interessenten zu finden. Außerdem war er mit der Miete noch dreihundert Mark heruntergegangen. Sascha tauchte im Vertrag nicht auf, trotzdem war natürlich er es, der das Geld zur Verfügung stellte. Sie hatten ausgerechnet, dass ihr Erspartes reichen würde, um die Kneipe in Eigenleistung zu renovieren.
Sie wollten es schaffen, die Arbeit innerhalb von zwei Monaten hinter sich zu bringen, um dann Einnahmen zu haben. Das hieß verdammt viel Arbeit.
Aber Sascha war gewillt, alles zu geben. Er hatte Angst, denn wenn der Laden nicht in Schwung kam, würden sie wieder pleite sein und alles war wie vorher.
✵
Nachdem sie ihre Sachen mit einem Taxi von der Pension in die Palmstraße geschafft hatten, saßen sie auf den Taschen und sahen sich in ihren neuen vier Wänden um. Marc grinste unfroh und schaute die vergilbte Tapete der Küche an. Fingerdicker, öliger Dreck bedeckte die Kacheln, wo einmal der Herd gestanden hatte. Gemeinsam inspizierten sie noch einmal den Rest der Wohnung, dann gingen sie hinunter in den ehemaligen Nachtclub. Dort erkannten sie Schäden, die ihnen bei der Erstbesichtigung nicht aufgefallen waren. Allein die Renovierung des Waschraumes würde in die Tausende gehen. Auf einmal überfielen Sascha Zweifel. Er sah all die positiven Pläne, die sie in jeder Minute der letzten Tage gemacht hatten, vor seinem geistigen Auge in sich zusammenfallen. Jetzt schalt er sich einen Idioten und war sicher, er hätte seine Ersparnisse auch gleich in der Toilette wegspülen können. Es war Marc, der ihm Mut zusprach.
„Das sieht jetzt schlimmer aus, als es ist. Wir schaffen das, du wirst sehen. Lass uns mal eine Bestandsaufnahme machen.“
„Das hätten wir vielleicht früher machen sollen. Jetzt ist es zu spät. Verflucht, ich lerne es nie. Scheinbar kann ich es nicht vertragen, ein bisschen Geld sicher auf der Bank zu haben. Ich tue alles, um es wieder loszuwerden.“
„Ach was, Prinzessin. Guck mal, die Theke ist schon mal in Ordnung. Sie braucht nur eine andere Verkleidung und ... Scheiße.“
Marc hatte seinen Fuß auf die Fußleiste gestellt, die umgehend abbrach. Trotzdem mussten beide lachen. Da gab nur noch eins –Augen zu und durch.
Gleich am nächsten Tag ließen sie einen Installateur kommen. Es stellte sich heraus, dass allein die Toiletten Saschas Geld beinahe um die Hälfte dezimieren würden. Trotzdem vergaben sie den Auftrag und nahmen sich vor, alles weitere allein zu machen. Sie verbrachten ihre Tage mit putzen, streichen und tapezieren. Erst wenn es gar nicht mehr ging, entflohen sie in die Wohnung und schliefen dort in den beiden
Weitere Kostenlose Bücher