Satans Bruder
her und erwarten ein Paradies und dann finden Sie sich in der Hölle wieder. Hatte Ben etwas zu seiner Entlastung zu sagen?«
»Nichts, woran ein Redakteur Interesse hätte.«
»So ein Ungeheuer«, redete er weiter. »Leute aufschlitzen und essen ...«
»Haben Sie so etwas früher schon mal erlebt?«
Die Straße wurde noch steiler und er begann zu keuchen, obgleich er sich um einen athletischen Schritt bemühte. »Was erlebt?«
»Kannibalismus.«
»Auf anderen Inseln? Nein.«
»Ich meine drüben in den Staaten, als Sie noch Polizeireporter waren.«
»Habe ich je gesagt, ich wäre Polizeireporter gewesen?« »Ich glaube ja, bei unserer ersten Begegnung.«
»Ich glaube nicht. Nein, Alex, mein Geschäft war die Politik. Und Sie? Haben Sie Erfahrung mit Kannibalismus?« Ich schüttelte den Kopf.
»Es gibt eben für alles ein erstes Mal«, sagte er und grinste. Wir gingen die Straße hinauf, vorbei an kleinen Häusern, Kindern, Hunden und Katzen. Sobald wir uns näherten, zogen ängstliche Mütter ihre Kinder an sich und Jalousien senkten sich abrupt.
»Sehen Sie?«, sagte Creedman. »Das verlorene Paradies.«
29
Sein hellblaues Häuschen war das letzte, ganz oben am Hang, wo die Straße als Sackgasse endete, mit unverstelltem Blick über den Ozean. Am Ende einer bröckeligen Einfahrt parkte ein VW-Käfer. Das Grundstück war zum großen Teil von Efeu und blühenden Ranken überwuchert. Das nächste Nachbarhaus lag dreißig Meter entfernt hinter einem brüchigen Holzzaun.
Drinnen sah es ganz anders aus. Die Wände waren frisch gestrichen, strahlend weiß. Es gab schwarze Ledersofas, Orientteppiche, die den verschlissenen Vinylboden gut kaschierten, teure Kunstdrucke und Teakmöbel. In der kleinen Küche neben dem Essbereich bemerkte ich teures Kupferkochgeschirr auf einem schmiedeeisernen Regal. Die Küchentheke zierte ein Holzkasten mit deutschem Besteck darin. Alle Küchenmaschinen waren von europäischen Herstellern und sahen brandneu aus.
»Ich mache uns was zu trinken«, sagte Creedman und ging zu einer Hausbar aus Messing und Glas.
»Danke. Für mich nur eine Coke.«
Er mischte sich einen doppelten Scotch mit Soda und holte sich Eis aus einem schwedischen Gefrierschrank mit Chromtür.
Ich schaute mich weiter um. Der Raum, in dem ich stand, war ein großes Wohnarbeitszimmer; ein Computer mit Drucker und einem Tausend-Watt-Batteriepaket; ein Spiegelteleskop mit Messinggehäuse; eine Stereoanlage und ein deutsches Fernsehgerät an einem dicken Kabel, das durch die Decke ging.
»Ich hatte ursprünglich eine Satellitenantenne, aber die hat ein Sturm weggeblasen.«
»Es sieht so aus, als hätten Sie sich hier für längere Zeit eingerichtet.«
»Ich lege Wert auf ein bisschen Luxus.«
Er kam mit den Getränken und wir setzten uns vor ein großes Fenster, das die Aussicht auf den Ozean einrahmte. »Ein gutes Leben ist die beste Rache«, sagte er geheimnisvoll.
»Rache an wem?«
»Wer immer es verdient.« Er leerte sein Glas mit einem einzigen langen Schluck und lutschte auf einem Eiswürfel. »Was kann ich also für Sie tun?«, erkundigte ich mich. »Nichts, Alex. Ich versuche nur, Ihr Freund zu sein; zwei Amerikaner auf einer feindlichen Insel. Zu schade, dass wir nichts mehr zusammen unternehmen konnten, bevor Sie wieder weggehen.«
»Wer hat gesagt, dass wir weggehen?« Er lächelte. »Stimmt es etwa nicht?«
»Sicher, irgendwann werden wir hier verschwinden. Und Sie?«
»Ich habe keine Pläne. Das ist der Vorteil, wenn man frei schaffend ist.«
»Das klingt sehr gut.«
»Ist es auch.«
Ich trank meine Cola aus. »Möchten Sie noch eine?«, fragte er. »Nein, danke.«
»Es macht Ihnen sicher nichts aus, wenn ich mir noch was hole.«
»Nein, nein.«
Er goss sich einen noch größeren Scotch ein und setzte sich wieder zu mir.
»Eine wahnsinnige Geschichte, dieses Blutbad, finden Sie nicht auch? Wie es aussieht, werde ich tatsächlich noch zum Polizeireporter. In Washington hat mich das nie gereizt. Die meisten Kriminellen waren Vollidioten und die Polizei und die Staatsanwälte waren auch nicht gerade die Intelligentesten.«
»Und die Politiker? Sind die besser?«
»Manche, ja«, lachte er, »ein paar davon jedenfalls.«
»Zum Beispiel Nicholas Hoffman.«
Er trank einen tiefen Schluck. »Der ist nicht dumm, so weit ich gehört habe ... Nun sagen Sie schon: Wann werden Sie abreisen?«
»Ich weiß es noch nicht, Tom.«
»Und was wird dann aus Ihrem Projekt mit Moreland?« Ich zuckte
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