Satans Bruder
Mittagessen zu sich genommen, und dabei ist er schon so dünn.«
»Haben Sie eine Idee, warum er so bedrückt gewesen sein könnte?«
»Nein, aber er konnte Hoffman nie leiden.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich glaube einfach nicht, dass Ben es getan hat, Sir.«
»Die Leute im Dorf sind da anderer Meinung.«
»Dann sind die Leute eben dumm.«
»Trotz allem, was Dr. Bill für sie getan hatte, ist er bei vielen sehr unbeliebt.«
»Diese undankbaren Schmarotzer! Dr. Bill hat versucht, sie zum Arbeiten zu bewegen, doch niemand wollte etwas davon wissen. Er hat den Leuten Stände im Laden angeboten, ohne Miete, doch praktisch niemand hat sich dafür interessiert. Und die, die einen Stand genommen haben, lassen sich auch nur blicken, um ihre Wohlfahrtsschecks einzulösen. Solange die Regierung Geld verschenkt, braucht sich ja niemand um Arbeit zu kümmern. Und jetzt haben sie die Stirn, Dr. Bill Vorwürfe zu machen!«
In ihrer Wut hatte sie vergessen zu flüstern, und nun legte sie sich schuldbewusst eine Hand auf den Mund.
»Schade«, sagte ich. »Es wäre gut für Ben, wenn Dr. Bill mächtige Freunde hätte - Leute wie Hoffman.«
»Was würde der schon tun?«, winkte sie ab. »Der hat doch immer nur an sich gedacht. Er kam immer her und hat Dr. Bills Essen gegessen, und dann hat er noch beim Kartenspiel betrogen. Können Sie sich das vorstellen? Nein, Doktor, das ist kein Gentleman.«
»Wusste Dr. Bill, dass Hoffman geschwindelt hat?«
»Natürlich, daher weiß ich es ja! Dr. Bill hat darüber Witze gemacht. ›Nicholas glaubt, er könnte mich beschummeln‹, hat er gesagt. Ich meinte, das wäre furchtbar und er sollte dem ein Ende machen, doch Dr. Bill lachte nur und sagte, es wäre nicht so wichtig.«
»Und Hoffmans Frau hat mitgemacht beim Mogeln?«
»Nein, sie - es war ...« Sie wurde rot. »Es war furchtbar, ganz furchtbar. Die halbe Zeit hat Hoffman sich selbst eingeladen. Er spielte hier Tennis und sonnte sich und bestellte sich Essen aus der Küche, so als wäre ich noch immer seine Angestellte. Als ob alles hier ihm gehörte!« Sie legte sich erneut die Hand auf den Mund.
»Alles?«, fragte ich nach.
»Ja. Er war eben der große Mann. Er war es gewohnt, dass alles nach seiner Nase ging, und ich sage ganz offen, Dr. Delaware: Der Mann war herzlos. Als ich noch seine Köchin war, gab es einen großen Flugzeugabsturz - ein Transportflugzeug voller Matrosen samt Frauen und Kindern auf dem Rückweg in die Heimat.«
Das musste der Absturz gewesen sein, den Moreland erwähnt hatte: 1963.
»All diese Menschen«, fuhr sie fort. »Es war eine Tragödie. Und was tut Hoffman: Er schickt eine Kiste voll Muscheln und Eis in die Küche und befiehlt mir, ich soll ihm Coquilles St. Jacques machen! Können Sie sich das vorstellen?«
Sie machte sich wieder über den Teppich her. »Miss Castagna hat gesagt, Sie würden bald abreisen. Das tut mir Leid. An der Art, wie Sie Miss Castagna behandeln, sieht man, dass Sie ein Gentleman sind. Davon bräuchten wir hier mehr.«
»Hier auf Aruk?«
»Auf der ganzen Welt, Doktor. Aber Aruk wäre ein guter Anfang.«
Zu meiner Überraschung saß Moreland in meinem Büro in einem der Sessel und las eine Pathologiezeitschrift. Er sah aus wie ein mit Wachs überzogenes Skelett.
Er legte die Zeitschrift beiseite und setzte sich auf. »Wie geht es Ben?«
Ich berichtete ihm kurz, was in der Zelle vor sich gegangen war, und er hörte schweigend zu. Ich konnte das Inhaltsverzeichnis der Zeitschrift sehen, in dem er einen Artikel über Blutspuren eingekreist hatte.
»Bereiten Sie sich schon auf Bens Verteidigung vor?«, fragte ich.
Er ging nicht darauf ein und sagte: »Jemand hat ihn also zu einem Notfall gerufen. Und der Anrufer hat wie Carl geklungen?«
»Das hat Ben jedenfalls gesagt.«
Seine Finger wirkten zerbrechlich. Er zog an ihnen herum und die Gelenke knackten. »Sie glauben ihm also nicht.« »Ich glaube, seine Geschichte klingt nicht sehr überzeugend.«
Nach einer langen Pause sagte er: »Zeigt Ihnen das nicht, dass er unschuldig sein muss? Jemand von Bens Intelligenz könnte sich eine erstklassige Geschichte ausdenken, wenn er wollte.«
»Er ist intelligent, aber auch sehr verstört. Alkohol war einmal ein Problem für ihn - und ist es immer noch, wenn auch auf andere Art. Offenbar leidet er heute unter Überreaktionen, sobald er einen Tropfen trinkt. Außerdem hat er mindestens eine Vorstrafe wegen eines Sexualdelikts. Während seiner Zeit bei der
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