Satans Bruder
Scheibe war noch heil, aber das Glas hatte geknackt, das hätte ich schwören können.
Robin stand hinter mir.
Ich versuchte es noch einmal, und das Tier machte einen zweiten Sprung. Und dann einen dritten, immer weiter. Es rollte sich zusammen wie eine Feder und rammte mit seinem wulstigen Kopf die Glasscheibe, an dessen Innenseite jetzt eine ölige Flüssigkeit hinunterlief.
Robin stieß einen kleinen, spitzen Schrei aus. Ich drehte mich um und sah, wie Emma auf ihrer Schulter Liegestütze übte.
Ich schob meine Hand unter den Kasten und ließ sie da, während der Tausendfüßler sich weiter gegen die Scheibe warf und sie immer mehr mit seinem Gift bedeckte.
Dann meinte ich ein heiseres, kehliges Knurren aus dem Tank zu hören, lauter als der Regen, und ich tastete verzweifelt auf der Tischplatte herum. Ich berührte etwas Wachsiges und zuckte zurück.
Der Tausendfüßler ließ in seinem Wutanfall nicht nach und verspritzte Unmengen Gift. Ich griff nach dem Wachsding, bekam es mit den Fingernägeln zu fassen und zog so fest, dass meine Schulter schmerzte. Doch dann verlor ich es wieder und musste in die Knie gehen, um es wiederzufinden - Auge in Auge mit dem Ungeheuer, zwischen mir und seinen manischen Angriffen nur fünf Millimeter Glas, das bei jedem Aufprall wackelte.
Ich fühlte eine Ecke des Wachspapiers - Krach -, verlor es wieder und versuchte es noch einmal. Es bewegte sich, doch dann blieb es hängen.
Der verdammte alte Bastard. Es war auf den Tisch geklebt!
Ich schob einen Fingernagel unter das Klebeband und bekam es los. Dann noch ein Ruck und das verdammte Ding kam endlich heraus.
Es war ein dickes Paket. Die Ecken zerbröckelten mir zwischen den Fingern, während ich mich zurückzog, so schnell ich konnte.
Robin folgte mir - und Emmas schwarze Augen.
Krach - das Ungeheuer sprang nun gegen den Deckel und versuchte ihn abzuwerfen. Das Schieferstück, das darauf lag, sprang hoch und ich fürchtete, das Glas könnte brechen. Ich erspähte einen Blumentopf voll Erde am Ende des Ganges, holte ihn herbei und beschwerte damit den Deckel, doch der Tausendfüßler gab immer noch nicht auf.
Ich nahm Robin bei der Hand und wir liefen auf die Treppe zu. Auf halbem Weg, wo das Licht durch die Fenster am stärksten war, bemerkte ich, dass Emma noch bei uns war - wie hatte ich je vor ihr Angst haben können?
Moreland hatte Recht: Nichts war, was es schien.
Ich faltete das Wachspapier auf, wobei es noch mehr zerbröckelte. Es war trocken, sehr alt, dunkles Papier, schwarz oder tiefblau, Übergröße, bedeckt mit weißen Linien.
Blaupausen.
Rechtecke und Kreise, Halbkreise und Quadrate. Symbole, die ich nicht verstand. Und Pfeile.
Ein Grundriss. Die Rechtecke und Quadrate waren wahrscheinlich Gebäude. Die größte Struktur war im Süden; daneben etwas Rundes mit Wellensymbolen darin.
Das Hauptgebäude und der Springbrunnen.
Sobald ich diesen Orientierungspunkt hatte, fand ich auch das Insektarium mit den dreizehn Stufen, dem Gang in der Mitte und vielen kleinen Rechtecken daneben.
Die Bäder ...
Ich fand mein Büro und Morelands und die anderen Nebengebäude.
Im Osten waren verschwommene Kringel eingezeichnet, wahrscheinlich Baumwipfel: der Rand des Banyanwaldes. Es war ein Plan des gesamten Anwesens. Doch was sollte ich darin finden?
Je länger ich den Bogen studierte, desto verwirrender wurde es. Es gab ein Netzwerk aus Linien, so dicht wie Straßen auf einem Stadtplan. Und Symbole, deren Bedeutung ich nicht verstand. Worte. Japanisch.
34
»Das sind die ursprünglichen Pläne«, sagte Robin.
»Kannst du dir irgendeinen Reim darauf machen?«
Sie nahm die Blaupausen in die Hand und schaute hinein. Darin hatte sie schließlich Übung, nach all den Monaten auf unserer Baustelle in L. A.
Sie verfolgte die Linien und sagte dann: »Vielleicht hier.«
Sie führte meine Hand zu einem rauen Fleck, einer Schwellung auf dem Papier, wie Blindenschrift.
»Da hat eine Reißzwecke gesteckt«, sagte ich.
»Direkt in der Mitte dieses Gebäudes - in seinem Büro. Und schau dir das an.« Sie fuhr mit dem Finger eine Linie entlang, die von Morelands Büro zum Rand des Plans verlief - nach Osten, aus dem Bungalow, durch die Nachbargebäude und die Grenze des Grundstücks direkt in den Banyanwald.
»Ein Tunnel?«, schlug ich vor.
»Oder ein unterirdisches Kabel.« Sie drehte das Blatt um und untersuchte die Rückseite.
Um das Reißzweckloch war ein Kreis gezeichnet.
»Ein Tunnel unter seinem Büro. So
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