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Satans Bruder

Satans Bruder

Titel: Satans Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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›Larve‹, aber es gibt keinen Mythos.«
    »Niemand hat also Joes Geschichte ernst genommen.«
    »Nein. Er war immer schon ein verschrobener Kerl gewesen. Er lebte zurückgezogen und sprach zuweilen mit sich selbst, besonders wenn er betrunken war. Mehr Sorgen machte ich mir wegen seiner Brustschmerzen. Es klang verdächtig nach Angina, doch da er so aufgeregt war, konnte ich nicht sicher sein. Wie sich herausstellen sollte, waren seine Arterien tatsächlich in einem schlimmen Zustand. Ich hätte nichts für ihn tun können.«
    »Wollen Sie damit sagen, sein Tod hätte nichts damit zu tun gehabt, was er im Wald gesehen hatte?«
    »Wahrscheinlich nicht, obwohl die Aufregung bestimmt nicht gut für ihn war.«
    »Haben Sie ihn in dem Glauben gelassen, es gäbe wirklich Ungeheuer im Wald?«
    Er blinzelte nervös. »Wenn ich mit ihm darüber reden wollte, hielt er sich die Ohren zu. Er war ein eigenartiger Mann, nicht schizophren, aber vielleicht schizoid. Was meinen Sie?«
    Ich antwortete nicht.
    »Was hätte ich denn tun sollen? Sollte ich ihm etwa sagen, er hätte wirklich etwas gesehen, und dadurch die Kinder in Gefahr bringen? Um die ging es mir doch vor allem. Ich verbrachte jede freie Minute bei ihnen. Ich untersuchte sie, brachte ihnen Decken, Essen, Medikamente ... Mit zweien ging es immer mehr bergab, doch jede Nacht, in der keines starb, war für mich wie ein Sieg. Barbara fragte mich immer wieder, ob irgendetwas passiert wäre. Ein leichtes Schlafmittel in ihrem letzten Drink vor dem Schlafengehen machte es etwas einfacher und so war ich jede Nacht unterwegs, zwischen Haus und Höhle, und nie konnte ich sicher sein, was mich dort erwartete. Verstehen Sie?«
    »Ja, ich verstehe. Und die ganzen Jahre sind die Kranken nie aus der Höhle gekommen?«
    »Nur unter meiner Aufsicht. Sie müssen das Sonnenlicht meiden. Ihre Haut ist extrem lichtempfindlich, ähnlich wie bei manchen Porphyriepatienten, doch sie haben keine Porphyrie. Ich war nie in der Lage herauszufinden, was sie haben oder was man ihnen gegeben hat. Wo war ich stehen geblieben?«
    »Bei Ihren nächtlichen Touren zwischen Haus und Höhle«, erinnerte ihn Robin.
    »Ach ja. Nach ungefähr einer Woche konnte ich dann nicht mehr. Ich schlief an meinem Schreibtisch ein, und dann wurde ich durch ein lautes Dröhnen aufgeweckt. Ich kannte das Geräusch: ein großes Flugzeug beim Start. Sekunden später gab es eine mächtige Explosion. Ein Transportflugzeug war ins Meer gestürzt. Es hieß später, die Treibstofftanks wären explodiert.«
    Der Flugzeugabsturz 1963. Der Tag, an dem Gladys für Hoffman ein Festmahl zubereiten musste - zur Feier der Beseitigung sämtlicher Zeugen.
    »Es waren natürlich die Patienten an Bord, die in Quarantäne gewesen waren«, sagte ich.
    »Und die Ärzte aus Washington«, fügte Moreland hinzu. »Und die drei Männer, die als Wachen am Lazarett abgestellt gewesen waren, und zwei Sanitäter. Die Patienten wären ohnehin gestorben. Die meisten waren wahrscheinlich schon tot, als sie verladen wurden, doch die Ärzte, Sanitäter und Flieger wurden einfach geopfert, alles für Gott und Vaterland.«
    »Und warum hat man Sie nicht ausgeschaltet?«, fragte Robin.
    »Das habe ich mich auch oft gefragt. Ich nehme an, weil ich mir eine Art Versicherung zulegte. Am Tage des Absturzes lud ich Hoffman zu einem Drink in unser Quartier ein - ohne Frauen, nur wir beide in unseren prächtigen weißen Uniformen, mit unseren trockenen Martinis in der Hand. Damals habe ich noch getrunken. Ich machte ihm klar, dass ich genau wusste, was er getan hatte, und dass ich einen detaillierten Bericht geschrieben und irgendwo sicher aufbewahrt hätte, mit der Anweisung, ihn sofort zu veröffentlichen, falls mir oder jemandem aus meiner Familie etwas zustieße. Und dass ich gewillt wäre, das Ganze zu vergessen, wenn auch er dazu bereit wäre.«
    »Und das hat er Ihnen abgekauft?«
    »Ich weiß, es war ein theatralischer kleiner Trick. Die Idee hatte ich aus einem dieser dummen Kriminalfilme, die sich Barbara ständig anschaute, aber offenbar funktionierte es. Er lächelte sein schmieriges Lächeln und sagte: ›Deine Fantasie geht mit dir durch, Bill. Schenk mir noch einen ein.‹ Dann trank er aus und ging. Dann schlief ich monatelang mit einer Pistole unter dem Kopfkissen, obwohl ich Waffen schon damals verabscheute. Aber er hat nie etwas unternommen. Am Ende dachte ich, er muss mir geglaubt und den Handel angenommen haben. Für mich war es der

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