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Satans Bruder

Satans Bruder

Titel: Satans Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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konnte ich noch erkennen. Es war gar nicht versucht worden, sie zu behandeln. Es gab weder Nahrung noch Medikamente noch Infusionen - nichts. Sie wurden einfach aufbewahrt.«
    Die Grapefruit war nur noch ein Klumpen Fleisch und Rinde.
    »Das letzte Zimmer war das schlimmste: Dutzende toter Kinder, und dann ein Wunder. Manche der Babys lebten noch und sahen relativ gesund aus. Sie hatten Hautwunden und waren unterernährt, doch sie waren bei Bewusstsein und atmeten regelmäßig. Ihre Augen folgten mir, als ich an den Krippen vorbeiging. Ich zählte neun Überlebende.«
    Er stand wieder auf und wankte umher.
    »Ich verstehe es heute noch nicht. Vielleicht hat die relativ niedrige Dosis sie gerettet; oder irgendetwas im Immunsystem der Neugeborenen. Oder vielleicht gibt es einen Gott.«
    Er ging zu den Kühlschränken und blieb vor einem uralten, kupferfarbenen Kenmore stehen.
    »Ich schaffte es, sie herauszuholen, vier in der ersten Nacht, fünf in der zweiten. Ich wickelte sie in Decken, damit niemand sie schreien hörte, aber das war gar nicht nötig. Sie konnten nicht schreien. Das Gift hatte bereits ihre Stimmbänder zerfressen.«
    Er hielt ein imaginäres Kind in den Armen. »Und dann wusste ich nicht, wo ich sie hinbringen sollte. Mir fiel nur der Wald ein. Zum Glück war es Winter. Im Winter ist es hier mild und trocken. Beim Wandern hatte ich die Höhlen entdeckt. Ich wusste kein anderes Versteck.«
    »Und was war mit den Minen?«
    Er lächelte. »Die Japaner hatten wohl geplant, den Wald zu verminen, aber dazu sind sie nicht mehr gekommen.«
    »Das Gerücht stammt von Ihnen?«
    »Ich habe nur die Saat ausgestreut. Wenn es um Gerüchte geht, finden sich reichlich Gärtner ... Wo war ich stehen geblieben? Ach ja: Ich legte sie in eine der Höhlen, aber nicht in diese. Die kannte ich damals noch nicht. Ich wusste auch nichts von dem Tunnel. Als sie erst einmal in Sicherheit waren, konnte ich sie in Ruhe untersuchen, sie sauber machen und ihnen Wasser und Salze verabreichen. Dann ging ich zum Lazarett zurück, nahm ihre Betten auseinander und verstreute die Einzelteile, in der Hoffnung, sie würden nicht vermisst. Das ging dann auch gut ... Es gab jedoch eine andere Komplikation: Auch einer der Erwachsenen hatte überlebt. Ein Mann. Als ich noch mit den Betten zugange war, kam er herein und packte mich. Nein: Er fiel auf mich. Ich wäre fast gestorben vor Schreck. Er war ... halb verwest. Ich wusste, wer er war. Ein Flugzeugmechaniker, ein Riesenkerl und unheimlich stark. Vielleicht hatten ihn die Gifte deshalb noch nicht überwältigt. Seine Haut war schneeweiß, wie gebleicht. Ein Arm fehlte und sämtliche Zähne und Haare. Er war kein guter Mensch gewesen - furchtbar jähzornig, ein richtiger Schläger. Ich hatte mich um Männer kümmern müssen, die er verprügelt hatte. Doch schließlich musste ich auch ihn in den Wald schleppen, die ganzen neunzig Kilo. Ich hatte keine Wahl. Er war vielleicht noch stark genug, die Wachen zu alarmieren, und dann wäre das Ganze aufgeflogen. Aber es ging alles gut.
    Ich brachte ihn in eine andere Höhle, weg von den Babys, und versorgte ihn, so gut ich konnte. Seine Haut löste sich immer mehr ab und er zitterte vor Kälte. Er versuchte zu sprechen und wurde unheimlich wütend, weil er es nicht schaffte. Er starrte immer wieder den Stumpf an, wo sein Arm gewesen war, und schrie - stumme Schreie. Rasende Wut. Selbst in seinem Zustand jagte er mir noch Angst ein.«
    Er sank auf einen der Stühle.
    »So ging es fünf Tage. Sein Zustand wechselte zwischen Lähmung und Raserei. Er schaffte es sogar, aufzustehen und durch die Höhle zu stolpern, wobei er sich furchtbar verletzte, aber er blieb auf den Beinen. Vor der Krankheit muss seine Kraft übermenschlich gewesen sein. Am fünften Tag brach er dann aus. Ich kam abends von der Basis zurück und er war nicht da. Zuerst bekam ich Panik und dachte, jemand hätte alles entdeckt, aber die Babys waren noch in ihrer Höhle. Und schließlich fand ich ihn. Er lag unter einem Banyanbaum, halb bewusstlos. Ich schleppte ihn zurück und zwei Tage später war er tot.«
    »Doch davor ist er von Joseph Cristobal gesehen worden«, warf ich ein.
    Er nickte. »Gladys kam in mein Büro und erzählte mir von Joe. Einer der Arbeiter hatte ihr gesagt, Joe hätte einen Anfall und würde behaupten, er hätte einen Waldgeist gesehen.«
    »Einen Tutalo.«
    »Nein«, sagte er und lächelte. »Die sind meine eigene Erfindung. Tootali ist ein altes Wort für

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