Satans Bruder
einfachste Ausweg. Böse Menschen glauben gern, dass alle anderen genauso korrupt sind wie sie selbst.
Am nächsten Tag brachte mir ein Matrose einen versiegelten Briefumschlag ins Quartier: meine Entlassungspapiere, drei Monate früher als geplant, und die Besitzurkunde für das Anwesen. Der Preis war sehr günstig und umfasste sämtliche Möbel. Die Marine nahm unseren Umzug in die Hand und als Dreingabe mussten wir ein Jahr lang nichts für Wasser und Elektrizität bezahlen.
Wir lebten weiter, als wäre nichts geschehen. Sogar die Bridgeabende fanden weiter statt.«
»Einschließlich seiner Pfuscherei?«, fragte ich.
»Er hat weiter geschummelt und ich gab weiter vor, es nicht zu merken. Sehr zivilisiert, nicht wahr?«
Bei seinem Lachen lief es mir eiskalt den Rücken hinunter.
»Mein wirkliches Leben spielte sich jedoch nachts ab - und wann immer ich weg konnte, ohne zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Den Tunnel kannte ich immer noch nicht. Ich hatte an der Ostmauer eine Leiter versteckt und so bin ich in den Wald gelangt. Die beiden Babys, deren Zustand sich verschlechtert hatte, starben bald, und dann ein drittes. Die anderen sechs überlebten. Sie haben sie kennen gelernt.«
»Wie steht es denn heute um ihre Gesundheit - körperlich und geistig?«
»Niemand von ihnen verfügt über eine normale Intelligenz. Und sie können natürlich nicht sprechen. Ich habe mir die Grundlagen der Intelligenztesterei beigebracht und sie den nonverbalen Komponenten der Wechsler- und Leitertests unterzogen. Ihre IQs scheinen zwischen sechzig und siebzig zu liegen. Jimmy und Eddie sind etwas aufgeweckter. Ihre Nervensysteme sind stark geschädigt. Sie leiden unter Krämpfen, Gleichgewichtsstörungen, sensorischen Ausfällen und Reflexstörungen. Ihre Muskeln sind schwach entwickelt, obwohl ich sie dazu anhalte, sich zu bewegen. Und dann natürlich diese Lichtempfindlichkeit. Die geringste Menge Sonnenlicht, wahrscheinlich die UV-Strahlung darin, frisst ihnen die Haut weg. Und selbst hier unten scheint der Verfall weiterzugehen. Es ist wie eine Art Lepra.
Und sie sind unfruchtbar, was man wohl als einen Segen bezeichnen muss. Sie zeigen auch keine starke Libido. Das hat ihnen und mir das Leben etwas leichter gemacht.«
»Ich kann immer noch nicht fassen, wie Sie es geschafft haben, sie die ganzen Jahre hier unten zu halten.«
»Zuerst war es schwer. Ich musste sie ... nun ja, ich musste sie sozusagen einsperren. Heute ist es kein großes Problem mehr. Sie sind vielleicht nicht normal, aber sie verstehen sehr gut, wie die Sonne ihnen zusetzen würde. Einer halben Stunde draußen folgen tagelang grässliche Schmerzen. Ich habe mich bemüht, ihr Leben so schön wie möglich zu gestalten ... Kommen Sie, ich zeige Ihnen was.«
Er führte uns in einen Nachbarraum, etwas kleiner als der Speisesaal, wo es Sitzsäcke und Holzkisten mit Spielzeug und Bilderbüchern gab. Auf einem Tisch stand ein batteriebetriebener Plattenspieler und daneben lag ein Stapel alter Singleplatten. Auf einem der Wollteppiche war eine Modelleisenbahn halb aufgebaut. Einige der weichen Menschen saßen auf dem Boden und spielten mit den Schienen. Andere lagen an den Sitzsäcken und spielten mit Puppen.
Sie begrüßten ihn mit einem Lächeln und heiseren Rufen. Er ging zu jedem Einzelnen von ihnen, flüsterte ihnen etwas ins Ohr und streichelte und kitzelte sie.
»Ich bin gleich zurück, Kinder«, sagte Moreland und wir verließen den Raum durch einen engen Felsengang.
»Wie oft kommen Sie hier herunter?«, fragte ich.
»Wenn oben nichts schief geht, zwei- bis fünfmal am Tag.«
»Das ist nicht möglich«, sagte Robin.
»Es ist ... sehr schwer. Aber ich versuche, meine anderen Verpflichtungen möglichst einzuschränken.«
Das hieß, er schlief praktisch nie. Seine Frau war gestorben und seine Tochter hatte er fortgeschickt, praktisch sobald sie laufen konnte. Natürlich hatte er keine Zeit, sich um die Insel zu kümmern. Seine einzige Erholung waren seine Insekten - eine kleine Welt, die er unter Kontrolle hatte. Er studierte Räuber, um für eine Weile die Opfer vergessen zu können.
Wir kamen in einen dritten Raum, wo sich sechs tragbare Chemieklos und zwei Waschbecken unter großen Wassertanks mit Sterilisierungsausrüstung befanden. Ein Stoffvorhang unterteilte das Ganze in zwei Zellen, jeweils drei Klos und ein Waschbecken für Männlein und Weiblein.
Es stank nach Desinfektionsmitteln.
»Ich habe ihnen beigebracht, wie man die Klos
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