Satans Bruder
passiert. Ich finde es ganz schrecklich, dass Sie gleich zu Beginn bei uns so etwas erleben mussten.«
»Sie brauchen sich wegen uns wirklich keine Sorgen zu machen, Bill.«
»Ich habe Mrs. Picker aufgesucht und ihr etwas Brandy gegeben. Sie schläft jetzt friedlich.«
»Gut.«
»Schön, Alex. Nochmals Entschuldigung wegen der Störung. Mit der Arbeit können wir beginnen, wann immer Sie wollen. Ich würde Ihnen gern Ihr Büro zeigen. Sie finden mich unten.«
Robin setzte sich auf und gähnte. »Wer ist es?«
Ich legte meine Hand auf den Hörer. »Bill. Er will mir mein Büro zeigen. Macht es dir etwas aus?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Vielleicht komme ich mit.«
»Wir könnten in ein paar Minuten unten sein«, informierte ich Moreland.
»Gut. Kommen Sie, sobald Sie bereit sind. Ich warte.«
Als wir hinunterkamen, saß er in einem wulstigen Sessel vor einem der Fenster und nippte an einem Glas Orangensaft. Er trug wieder ein einfaches weißes Hemd und eine ausgebeulte Hose, diesmal grau. Mir fiel erneut auf, wie dünn seine Beine waren. Die mit der Kette gesicherte Brille saß auf seiner Nasenspitze. Er stand auf und legte sein Buch weg. Es war eine ledergebundene Ausgabe der Education sentimentale von Flaubert.
»Kennen Sie Flaubert?«
»Nur Madame Bovary, und das ist Jahre her«, antwortete ich.
»Ein großer, realistischer Roman. Sein Realismus war es, weshalb man ihn so angegriffen hat.« Er bückte sich langsam und tätschelte Spike. »Ich habe dem Burschen ein kleines Gehege bereitet. Ein schattiges Fleckchen hinter dem Rosengarten - falls es Ihnen nichts ausmacht, ihn allein zu lassen.«
»Kann er nicht mitkommen?«
»Doch, doch, natürlich. Heute Morgen steht kein Zoobesuch auf dem Programm. Kommen Sie, ich will Ihnen die kleine Bibliothek zeigen.«
Er führte uns durch das Esszimmer: hellblaue Wände und Chippendalemöbel. »Wir benutzen das Zimmer kaum. Wir essen draußen, wann immer es möglich ist.«
Er öffnete eine Mahagonitür und wir schauten in das frühere Anrichtezimmer: lachsfarbene Webtapete, zwei dunkle Bücherregale, Stickdecken und Kristallleuchter. In einer riesigen grünen Porzellanvase steckten betagte Trockenblumen.
Wir gingen nicht hinein und während er die Tür wieder schloss, sagte er: »Unter den Büchern dort werden Sie kaum etwas Interessantes finden. Ich glaube, das habe ich schon erwähnt.«
Wir gingen weiter und kamen durch ein Frühstückszimmer mit gewachsten Kiefernmöbeln, einer gelb gestrichenen Speisekammer und einer mit Profigeräten ausgestatteten Küche, bevor wir durch eine Hintertür ins Freie traten.
Der erste Bungalow war hellbraun wie das Hauptgebäude, doch statt Tonpfannen hatte er Teerschindeln auf dem Dach.
Wir kamen in einen kleinen, kühlen Raum, dessen Wände mit rotgoldenem Akazienholz getäfelt waren. Vor einer Wand stand ein alter, makelloser Walnussschreibtisch mit einer ledernen Schreibunterlage, einem Tintenfass aus massivem Silber und einer elektrischen Schreibmaschine. Unter der Decke hing ein großer Ventilator, der sich müde drehte. An der Wand dem Schreibtisch gegenüber standen eine braune Couch mit einem passenden Sessel und zwei kleine Tische mit Lampen darauf. Die Holztäfelung war mit japanischer Schnitzerei eingefasst und auf hohen Regalen lagen Muscheln und Korallenstücke. Darunter hing eines von Mrs. Morelands Aquarellen.
Zwei kleine Fenster ließen frische Luft herein und boten einen Ausblick zur Einfahrt des Anwesens. Der Tropfennebel des Springbrunnens funkelte wie Kirmesgirlanden.
»Sehr hübsch«, brach ich die schläfrige Stille, in der sonst nichts als Spikes Atmen zu hören war.
Moreland öffnete eine Tür hinter dem Schreibtisch, die zu einem erheblich größeren Raum führte. Alle vier Wände waren mit deckenhohen Bücherregalen bedeckt und der Boden war voller Pappkartons, die ebenfalls fast bis zur Decke reichten: Hunderte von Kartons mit schmalen, unregelmäßigen Gängen dazwischen.
Moreland zuckte verlegen mit den Schultern. »Sie sehen, wie sehr ich Ihre Hilfe brauche.«
Ich lachte nervös, nicht nur wegen seines irritierenden Flamingogehabes, sondern auch wegen der Unermesslichkeit der Aufgabe, die vor mir lag.
»Ich weiß, es ist unverzeihlich, Alex, und ich will Sie nicht beleidigen, indem ich nach Entschuldigungen suche. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oft ich mich hingesetzt und versucht habe, zu irgendeinem Klassifizierungssystem zu kommen, doch dann wusste ich nie, wo ich anfangen
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