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Satans Bruder

Satans Bruder

Titel: Satans Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Seite. Als ich stehen blieb, schien sich wieder alles um mich zu drehen. Ich legte beide Hände auf den Granit und atmete tief ein.
    Wahrscheinlich fühlte ich mich so schummrig, weil ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte.
    Ich ging zu meinem Büro zurück. Auf dem Weg, zwischen den Obstbäumen, hob ich eine Orange auf, schälte sie und stopfte sie mir in drei Happen in den Mund, dass mir der Saft am Kinn hinunterlief - wie ich es als Junge getan hatte.
    Ich öffnete den nächsten Karton und fand wieder nur Routinefälle. Die einzigen psychologischen Befunde, die Moreland notiert hatte, beschränkten sich auf Stressreaktionen aufgrund physischer Erkrankungen.
    Der zweite Karton brachte mehr von derselben langweiligen Lektüre, bis ich tief unten auf einen Hefter stieß, der mich aufmerken ließ.
    Der Patient war ein einundfünfzigjähriger Arbeiter namens Joseph Cristobal. Ohne jede psychiatrische Vorgeschichte begann er plötzlich, unter Halluzinationen - »weiße Würmer« und »weiße Wurmmenschen« - und unter Erregungszuständen und Paranoia zu leiden.
    Moreland behandelte ihn mit Beruhigungsmitteln und notierte, Cristobal »neige zum Trinken, ist aber kein Alkoholiker«. Die Symptome ließen nicht nach.
    Zwei Wochen später starb Cristobal plötzlich - im Schlaf, offenbar an einem Herzanfall. Morelands Autopsie erbrachte keinen Hirnbefund, dafür aber eine verstopfte Arterie dicht am Herzen.
    Der Bericht endete mit der Bemerkung, dick in roter Tinte: A. Tutalo?
    Ich dachte zuerst, es handelte sich um einen Virus, den ich jedoch in dem medizinischen Wörterbuch, das Moreland mir zur Verfügung gestellt hatte, nicht finden konnte.
    Vielleicht ein Medikament? In dem pharmazeutischen Handbuch war es jedenfalls nicht aufgeführt.
    Ich ging in den Lagerraum, quetschte mich durch die Kistensäulen und suchte die Buchregale ab.
    Es gab Werke über Naturgeschichte, Archäologie, Mathematik, Mythologie, Geschichte, Chemie, Physik und eine Sammlung uralter Reisetagebücher.
    Und ein komplettes Regal mit Büchern über Insekten.
    Ein anderes Regal war der Pathologie und Toxikologie gewidmet und dort schaute ich genauer nach.
    Doch A. Tutalo war auch hier nirgends zu finden.
    Schließlich, in einer dunklen, feuchten Ecke, die eigentlichen Medizinbücher, und auch dort: nichts.
    Ich musste an die Katzenfrau denken, von der Moreland mir bei unserem ersten Treffen erzählt hatte.
    Und nun noch ein ›spontaner‹ Tod.
    Ich war vielleicht sechzig Akten durchgegangen. Zwei von sechzig waren drei Prozent. Drei Prozent sonderbare Todesfälle.
    Wenn sich dies als ein durchgehendes Muster herausstellte, war es höchste Zeit für ein Gespräch unter Kollegen.
    Als ich zum Haus kam, stand Jo Picker am Brunnen und schaute dem Polizeiwagen nach, der gerade wegfuhr. Ihr Haar und Gesicht waren mit Wassertropfen besprenkelt. Als sie mich kommen sah, wischte sie sich das Gesicht ab und schaute auf ihre nasse Hand. Erst dann trat sie langsam aus dem Wassernebel.
    »Der Polizist hat mir erzählt, was los ist.«
    Sie rieb sich die Augen. Von ihrer frischen Sonnenbräune war nichts mehr zu sehen. Ihre Haut war so grau, wie ich es auch bei anderen Menschen gesehen hatte, die in Trauer waren. »Ly ist angeblich auf das Gelände der Basis gestürzt. Sie fliegen ihn heute in die Staaten zurück. Ich habe mit seiner Familie telefoniert.«
    Eine ihrer Hände ballte sich zur Faust. »Ich wollte mich wirklich nicht drücken, obwohl es das einzig Vernünftige war!«
    Sie schaute mich an und ich nickte.
    »Wahrscheinlich wäre ich so blöd gewesen, mit ihm zu fliegen, trotz meiner Angst. Aber dann ... er schrie mich an, nannte mich eine ... Ich drehte mich einfach um und ließ ihn stehen.«
    Sie kam näher, nah genug für einen Kuss, doch es war nichts Verführerisches an ihrer Geste.
    »Trotzdem hätte ich wahrscheinlich nachgegeben, aber er wollte einfach nicht aufhören. Ich lief durch dieses Bambusgehölz, und als ich den Flugzeugmotor starten hörte, wäre ich fast zurückgerannt. Stattdessen ging ich weiter, bis zum Strand. Ich fand eine schöne Stelle, setzte mich auf einen Felsen und schaute aufs Meer hinaus. Ich hatte mich gerade beruhigt, da hörte ich den Knall ...«
    Unsere Nasen berührten sich fast. Ihr Atem roch abgestanden.
    »Er fehlt mir«, sagte sie, als würde sie es selbst kaum glauben. »Wenn man lange Zeit mit jemandem zusammen war ... Ich habe seiner Mutter gesagt, sie kann ihn in New Jersey neben seinem Vater

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