Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Satans Bruder

Satans Bruder

Titel: Satans Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
Kühlraum, wobei fast einer draufgegangen wäre. Ein Überfall durch einen Junkie, den wir wahrscheinlich nie schnappen werden. Und dann die Sache, die mir schlaflose Nächte bereitet: ein sechzehnjähriges Mädchen, das ihren Vater abgeknallt hat, als der auf dem Klo saß, draußen in Palisades. Aber genug davon. Schließlich wolltet ihr dieser Barbarei für eine Weile entkommen.«
    »Das stimmt, aber wenn du willst, kann ich deinen Zynismus noch etwas füttern. Sogar im Paradies gibt es nämlich Probleme.«
    Ich erzählte ihm von dem Mord an Anne-Marie Valdos und von Morelands Kannibalismusthese.
    Er sagte nichts.
    »Bist du noch da?«
    »Du fliegst ins Paradies und übertriffst mich selbst dort, wenn es um den Preis für das ekelhafteste Verbrechen geht.«
    »Moreland sagt, Kannibalismus wäre gar nichts so Außergewöhnliches. Hast du irgendwelche Erfahrungen in der Richtung?«
    »Ist er darin etwa auch Spezialist? Nein, Kannibalismus habe ich noch nicht versucht. Mein Frühstückssteak lasse ich heute auch ausfallen. Ich halte mich lieber an Salate.«
    »Eigenartig, dass du das sagst. Moreland ist nämlich Vegetarier. Seine Tochter hat uns erzählt, nach seinen Erfahrungen im Koreakrieg könnte er keinem Lebewesen mehr ein Leid antun.«
    »Wie empfindsam. Nein, bisher ist mir noch kein Mörder begegnet, der auf die Weise an seinen Opfern Geschmack gefunden hätte. Aber wer weiß, bis zur Pensionierung habe ich noch ein paar Jährchen Zeit ...«
    »Moreland meint, man bräuchte sich keine Sorgen zu machen. Auf der Insel hier hat Kannibalismus keine Tradition. Er ist mit dem Polizeichef der Meinung, es wäre ein Psychopath gewesen, der den Mord exotisch aussehen lassen wollte, wahrscheinlich ein Marinesoldat, der inzwischen versetzt worden ist.«
    »Ist Moreland auch noch ein Meisterdetektiv?«
    »Er ist der einzige Arzt auf der Insel und wird in der Eigenschaft natürlich auch bei einem Mord hinzugezogen.«
    »Kannibalismus«, schnaubte Milo. »Weiß Robin davon?«
    »Sie weiß, dass es einen Mord gegeben hat, doch die Einzelheiten habe ich ihr verschwiegen. Ich möchte keine große Affäre daraus machen. Außer dem einen Fall hat es hier seit Jahren keine schweren Verbrechen gegeben.«
    »Na, ich weiß nicht. Warum schiebt man es denn auf einen Seemann?«
    »Weil die Einheimischen nicht zu Gewalt neigen und der Mörder offenbar nicht mehr hier ist.«
    »Nicht dass ich besonders viel übrig hätte für die Marine. Ich war bei der Armee ... Okay, dann esst lieber nichts, von dem ihr nicht genau wisst, was es ist, und haltet euch fern von Spinnern mit Knochen in der Nase.«
    »Wir werden uns daran halten. Danke für den Anruf und viel Glück mit deinen Fällen.«
    Robin legte sich ein wenig hin und ich ging in den Rosengarten und weiter den großen Rasen hinunter. Vier Männer fuhren auf Mähtreckern herum und der süße Geruch des frisch geschnittenen Grases erinnerte mich an Sonntage in meiner Kindheit, daheim in Missouri.
    Ich kam zu den Obsthainen, stapfte durch abgefallene Orangen und Mandarinen, durch einen Popkornregen aus Zitrusblüten. Die Wildblumenwiese, die Moreland angelegt hatte, war großartig. Dann kam eine fantastische Vielfalt präzise getrimmter Miniaturnadelbäume und ein Gitter aus Buchsbaumhecken, das den großen Irrgärten, die ich in amerikanischen Universitätsparks gesehen hatte, in nichts nachstand. Auch die Gewächshäuser waren Spitzenklasse und die Bäume voller Orchideen, die aus Nischen und Löchern wuchsen. Ich ging weiter, bis zwischen den Bäumen Granit erschien und ein dorniges Gewirr aus rostigem Stacheldraht. Die Ostmauer war mit Geißblatt, Bleiwurz und Glyzinien überwuchert, die den Stacheldraht zum Teil kaschierten und den Anblick erträglicher machten.
    Auf der anderen Seite erstreckte sich das graugrüne Zelt der Banyanwipfel, durch das sich die Luftwurzeln reckten wie die Greifarme einer verwundeten Bestie. Die dicken Baumstämme, soweit ich sie sehen konnte, waren verwachsen und rangen um Raum.
    Für einen Augenblick schien sich der ganze Wald zu bewegen und auf mich herabzustürzen. Ich verlor fast das Gleichgewicht, und selbst als ich mich wieder gefangen hatte, fühlte ich mich noch beklommen.
    Ich schaute noch einmal zu den Bäumen auf und erinnerte mich, was Robin gesagt hatte - der kühle Hauch, der aus dem Wald herüberzuwehen schien. Doch ich fühlte nur eine innere Kälte.
    Ich wanderte die Mauer entlang und horchte vergebens auf Geräusche von der anderen

Weitere Kostenlose Bücher