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Satans Bruder

Satans Bruder

Titel: Satans Bruder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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noch eine Heidenangst«, erklärte Pam. »Wir haben deshalb beschlossen, die Impfungen so schnell wie möglich durchzuziehen. Möchten Sie hereinkommen?«
    Wir folgten ihr in die Baracke und atmeten den scharfen Geruch von Alkohol ein. Blaues Linoleum bedeckte den Fußboden und der Innenraum war mit Hartfaserplatten in Zellen unterteilt. Die Wände waren fast vollkommen mit farbenfrohen Plakaten bedeckt, doch die Aluminiumdecke vereitelte alle Versuche, den Raum aufzuheitern.
    Zirka fünfzehn Kinder, alle dunkelhaarig und keines älter als acht, standen in einer Reihe vor einem langen Tisch, hinter dem zwei Stühle standen. Der eine war leer, auf dem anderen saß Ben. Zu seiner Linken hatte er ein Metalltablett mit Bandagen, Watte, Desinfektionstupfern, Einwegspritzen und kleinen Glasflaschen mit Gummideckeln. Ein Abfallkorb gleich neben seinem linken Fuß war voll gestopft mit gebrauchten Nadeln und blutbefleckten Tupfern.
    Er krümmte seinen Zeigefinger und ein kleines Mädchen in rosa T-Shirt und rotweiß gemusterten Shorts trat vor. Das Haar reichte ihr bis zur Taille und ihre Füße steckten in Strandsandalen. Sie versuchte vergeblich, gegen die Tränen anzukämpfen.
    Ben packte einen Tupfer aus, nahm eines der Glasfläschchen in die Hand und steckte mit der linken Hand eine neue Injektionsnadel durch den Gummideckel. Er füllte die Spritze, presste die Luft heraus, nahm den Arm des Mädchens und zog sie zu sich heran. Dann wischte er kurz ihren Bizeps ab, warf den Tupfer in den Abfallkorb und sagte etwas, das die Kleine veranlasste, ihn anzuschauen. Im selben Augenblick steckte er die Nadel in ihren Arm. Der Mund des Mädchens verzog sich vor Schmerz und die Tränen flossen in Strömen. Manche der Jungen in der Reihe lachten nervös. Bald hatte Ben die Nadel herausgezogen und den Arm verbunden. Das Ganze hatte keine fünf Sekunden gedauert und er wirkte vollkommen ruhig.
    Das Mädchen weinte immer noch und Ben schaute sich zu uns um. Pam eilte an seine Seite und packte dem schluchzenden Kind einen Lutscher aus, und als auch das nichts half, nahm sie die Kleine in den Arm.
    »Der Nächste bitte«, sagte Ben und krümmte erneut seinen Zeigefinger. Ein kleiner, pummeliger Junge stellte sich in Position und starrte auf seinen Arm. Ben fischte sich einen neuen Tupfer von dem Tablett.
    »Das war schon alles, Angie«, sagte Pam, während sie das Mädchen zur Tür brachte. »Du warst großartig.« Das Kind schniefte und saugte so verzweifelt an seinem Lutscher, dass der weiße Papierstiel zitterte. »Das hier sind Besucher vom Festland, mein Schatz. Darf ich vorstellen: Angelina. Sie ist siebeneinhalb und sehr tapfer.«
    »Das haben wir gesehen«, bekräftigte Robin.
    Das Mädchen wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
    »Unsere Gäste sind extra aus Kalifornien hergekommen«, sprach Pam weiter mit dem Kind. »Weißt du, wo das ist?«
    Angelina murmelte etwas mit ihrem Dauerlutscher im Mund.
    »Was sagst du, Kleine?«
    »Disneyland.«
    »Richtig, Angie.« Pam kraulte ihr das Haar, brachte sie nach draußen und schaute ihr nach, während sie zur Kirche rannte.
    Bis sie zurückkam, hatte Ben schon zwei weitere Kinder abgefertigt. Er arbeitete sehr schnell und rhythmisch, fast wie eine Maschine. Pam blieb bei uns stehen, tröstete die Kinder und verabschiedete sie.
    »Die Schule ist noch nicht aus«, erklärte Pam. »Sie haben noch eine Stunde.«
    »Der Priester ist zugleich auch Lehrer?«, fragte ich.
    »Nein, es gibt hier keinen Priester mehr. Pater Marriot ist letztes Frühjahr zurückbeordert worden und Schwester June ist nach Guam gezogen. Sie hat Brustkrebs. Seitdem ist Claire die Hauptlehrerin und ein paar andere Mütter arbeiten als Teilzeitkräfte.«
    Wieder kam ein weinendes Kind zu uns, bekam seinen Lutscher und ging hinaus.
    »Eigentlich sollte ich auch welche verarzten«, sagte Pam, »aber Ben ist so gut, dass ich fast überflüssig bin. Ich hasse es, jemandem Schmerz zuzufügen.«
    Cheryl fegte vor der Haustür, doch als sie uns kommen sah, hörte sie auf.
    »Dr. Bill hat gesagt, ich soll Ihnen das hier geben.« Sie überreichte mir ein Stück Papier in Morelands Handschrift: Detective Milo Sturgis hat angerufen (11 Uhr hiesige Zeit). Und dann eine Telefonnummer in West Hollywood. Milos Privatnummer.
    »Das war ein Uhr nachts in L. A.«, sagte Robin. »Ich frage mich, was so wichtig sein könnte.«
    »Du weißt, was für eine Nachteule er ist. Wahrscheinlich hat es etwas mit dem Haus zu tun und er hat

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