Satans Bruder
begraben. Wir haben nie Pläne gemacht für diesen Fall. Er war achtundvierzig. Wenn ich nach Hause komme, werden wir einen Gedenkgottesdienst abhalten - irgendwas.« Sie bemerkte einen Fleck auf ihrer Bluse und runzelte die Stirn. »Mein Flug von Guam geht erst in zwei Wochen. Wahrscheinlich sollte ich sagen, ich könnte es kaum erwarten, hier wegzukommen, aber wohin soll ich schon? Wer wartet schon auf mich? Ich kann genauso gut hier bleiben und meine Arbeit beenden.« Sie rieb mit einem Finger an dem Fleck. »Sie halten mich wahrscheinlich für kalt, nicht wahr?«
»Tun Sie, was immer Ihnen darüber hinweghilft.«
»Meine Arbeit ist alles, was ich noch habe. Ich stehe vor dem Abschluss eines dreijährigen Forschungsprojekts. Soll ich jetzt alles wegschmeißen?«
Sie trat einen Schritt zurück und richtete sich auf. »Genug geschwätzt. Zurück an den alten Laptop.«
Es war kurz vor fünf. Ich ging zum Rosengarten hinunter, sah zwischen den Ästen einer Kiefer hindurch den Männern mit den Rasenmähern zu, wie sie breite Streifen ins Gras zeichneten, und dachte über plötzliche Todesfälle nach.
Katzenfrauen, weiße Würmer, Menschenfresser - Medizinische Routinefälle aus dreißigjähriger Praxis. Eine hübsche Routine.
Wahrscheinlich machte ich mir zu viele Gedanken. Schließlich war ich es gewesen, der die Sprache auf den Valdos-Mord gebracht hatte.
Um die Autopsiefotos hatte ich allerdings nicht gebeten.
Der Alte hatte mir kein Detail erspart. Vielleicht machte es ihm nichts aus und er nahm an, auch ich wäre nicht empfindlich.
Auch bei seiner Führung durch den Spinnenzoo war er davon ausgegangen, dass ich nicht umfallen würde.
Und wie passte sein Hobby, die Raubinsekten, ins Bild des einfachen Landarztes?
Milo hatte gesagt, Moreland wäre ihm etwas »daneben« vorgekommen. Milo war natürlich ein Zyniker, das gab er selbst zu, doch er war auch ein erfahrener Detective. Seine Intuition ließ ihn nur selten im Stich.
Du bist ein Neurotiker, Delaware. Du sitzt hier im Paradies und wirst praktisch fürs Nichtstun bezahlt und nun wirst du einfach nicht damit fertig.
Die Katzenfrau wollte mir nicht aus dem Kopf. Welche Qualen sie durchgemacht hatte - auf ihr Bett gebunden, während ihr Mann mit einer anderen schlief, vor ihren Augen. Der Todesschrei - welche Grausamkeit. Vielleicht war es das. Vielleicht hatte Moreland über die Jahre zu viel Grausamkeit gesehen: Strahlenverseuchung, der hoffnungslose Verfall der Leute auf den Bikiniinseln, die Katzenfrau, Joseph Cristobal ...
Er verarbeitete den Schmerz, wie es die meisten empfindsamen Menschen taten. Er stellte sich seiner Hilflosigkeit, erlaubte sich aber, sie zu vergessen, indem er sich in seinem Spinnenzoo verkroch, in seinem Labor, in seinem eigenen, privaten Paradies.
Und nun, gegen Ende seines Lebens, musste er zusehen, wie Aruk immer mehr verfiel, und seine Schutzmechanismen begannen zu versagen.
Er versuchte, einen Sinn zu finden in all dieser Grausamkeit. Er brauchte jemanden, mit dem er seinen Schmerz teilen konnte.
15
Zum Abendessen waren diesmal nur fünf Gedecke aufgetragen.
Jo kam als Letzte herunter. Sie trug eine weiße Bluse und einen dunklen Rock. Sie wirkte erholt und ihr Haar glänzte frisch gewaschen und gekämmt.
»Plaudern Sie nur weiter«, sagte sie, während sie ihre Serviette entfaltete. »Ah, Grapefruit, mein Lieblingsobst.«
Dabei hatten wir gar nicht geplaudert. Moreland hatte uns eine Vorlesung über die Geschichte der Kolonisation gehalten und dabei mehrmals den Faden verloren.
Nun herrschte Stille. Jo betrachtete die gewellte Kante ihres Grapefruitlöffels und schnitt sich ein Stück ab, worauf wir anderen ebenfalls unser Besteck in die Hand nahmen und zu essen begannen.
Moreland nahm sich ein Brötchen, bestrich es mit Apfelbutter und kaute mit geschlossenen Augen.
»Dad?« Pam sprach als Erste.
Moreland öffnete die Augen. »Ja, meine Liebe?«
»Du warst bei den Spaniern.«
»Ach ja, die große Stunde der Machos. Was die Conquistadores so einzigartig machte, war die Kombination von Waghalsigkeit und religiöser Überzeugung. Wer glaubt, dass er Gott auf seiner Seite hat, hält alles für möglich. Hormone plus Gott sind unschlagbar.« Er biss in sein Brötchen. »Und damit erledigte sich auch die Finanzierung: Diebstahl im Namen Gottes. Senor Columbus' Reisen sind durch die Raubzüge der Inquisition finanziert worden.«
»Hormone, Religion und Geld«, sagte Pam leise. »Um nichts anderes geht es auf
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