Satans Erbe (German Edition)
aufgeregt.«
»Ist jemand bei dir?«
»Ja.«
»Sag mir, wer bei dir ist.«
»Papa. Er umarmt mich. Um uns herum stehen viele Leute, sie haben bunte Schultüten in der Hand.«
»Wer sind die Leute, Elisa?«
»Kinder mit ihren Eltern.«
»Welcher Tag ist heute?«
Elisa zögerte. »Sonntag.«
»Welcher Monat?«
»April. Glaube ich.«
Der Bär sah zu Sibylle und sie nickte. Elisa erzählte von ihrer Einschulung, doch da stimmte etwas nicht.
»Was macht du jetzt, Elisa?«
»Ich gebe Papa meine Tüte. Ich soll zu den anderen Kindern gehen, die sich um eine Frau sammeln. Wir gehen alle in einen Raum, die Schule. Ja. Ich darf endlich in die Schule gehen. Papa bleibt da und winkt mir.«
»Elisa, wie fühlst du dich?«
»Gut, aber Mama ist nicht da.«
»Wo ist deine Mama, Elisa?«
»Sie ist zu Hause und wartet auf mich.«
»Wo wohnst du?«
»Das weiß ich nicht.«
Sibylle krauste die Stirn. Warum war Elisas Mutter nicht mit bei der Einschulung? War sie krank?
»Gut Elisa, du bist jetzt sieben. Sieben! Was machst du gerade?«
»Ich sitze.«
»Wo sitzt du?«
»Auf einem Tisch. Papa ist da.«
»Was tut dein Papa?«
»Er liest mit Freunden aus einem Buch. Ich kann auch lesen.«
Der Bär wandte sich zu Sibylle um und tippte auf sein Handgelenk, wo seine goldene Armbanduhr im dämmrigen Licht funkelte. Sie gab ihm zu verstehen, dass er noch einen weiteren Vorgriff wagen sollte.
Elisa erinnerte sich augenblicklich an ihren achten Geburtstag, doch nicht so, wie Sibylle es vermutet hatte.
»Ich warte auf Freunde. Ich bin neugierig auf meine Geschenke und zapple herum. Dann geht endlich die Tür auf … ich bin starr, ich habe Angst, wer ist das?« Elisas Gesicht lief rot an und ein Schweißfilm bildete sich auf ihrer Stirn. Sie bewegte sich auf ihrer Liege, als würde sie sich gegen unsichtbare Fesseln zur Wehr setzen. »Ich will nicht, nein. Lass mich in Ruhe. Fass mich nicht an …«
Der Bär gab Sibylle das vereinbarte Zeichen zum Abbruch.
Sibylle war hin- und hergerissen. Sie wollte wissen, was an Elisas Geburtstag geschehen war, was das Mädchen erlebt hatte, wer sie so sehr erschreckt haben konnte. Hatte man sie misshandelt? Gleichzeitig betete sie, dass die Auflösung der Trance nicht auch einen Rückzug von Elisa aus ihrem wachen Zustand bedeutete.
»Elisa«, sagte der Bär eindringlich, aber genauso ruhig wie bisher. »Elisa, du bist 23 Jahre, gesund und munter. Es geht dir gut und dein Herzschlag ist normal. Du hast die Kontrolle. Vier!«
»Ah. Nein! Bitte … Papa!«
Es dauerte unerträgliche Sekunden, bis der Bär bei eins angelangt war und Elisa sowie Sibylle aus ihrer Qual befreite.
Die junge Frau sank erschöpft auf der Relaxliege zusammen, öffnete die Augen und starrte ins Dunkle, als würde sie Sibylle dort erkennen.
Entgegen ihrer Anweisung trat Sibylle an Elisa heran, knetete ihre kalten Hände und sprach leise auf sie ein.
»Dr. Bachmann, Sibylle. Gut, dass du da bist. Ich hatte einen schlechten Traum.« Elisa strich sich über das Gesicht.
»Was für einen Traum, Liebes?«
Elisa legte die Stirn in Falten. Sekunden später zuckte sie mit den Schultern.
Sibylle las die Abschrift der Tonbandaufnahme, die nach der Sitzung angefertigt worden war. Sie kam nicht weiter in ihren Überlegungen, was an Elisas achtem Geburtstag passiert sein mochte, doch der Bär würde dies in weiteren Sitzungen durchleuchten.
Was war mit der Einschulung? Ein Sonntag im April … das konnte nicht sein. Komisch war auch, dass sie sich an eine Einschulung mit sechs Jahren erinnerte. Die Kinder wurden erst mit sieben eingeschult. Stammte sie nicht aus der Schweiz? Warum war Elisas Mutter nicht anwesend? Was hielt eine Mutter davon ab, an der Einschulung ihres Kindes teilzunehmen?
Die hypnotische Trance versetzte einen Probanden in das Alter zurück, das die Person in dem Moment annahm. Elisa war sechs. Vielleicht war ihre Erinnerung vom Vergessen getrübt?
Sibylle griff zum Telefonhörer und schrieb sich während des Gespräches mit ihrem Kollegen eine Menge Anmerkungen auf, obwohl der Bär immer wieder betonte, dass er noch keine Prognose nach nur einer Hypnosesitzung treffen könne und wolle.
Sibylle holte sich einen Kaffee und ein Stück Obstkuchen, legte die Notizen und die Abschrift nebeneinander und grübelte. Sie zwirbelte ihre Haarsträhnen und schlang Knoten hinein, bis sie wütend einen mit der Schere entfernen musste.
Es ist Sonntag, hatte Elisa gesagt. Der Bär bestätigte, dass es
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