Satans Erbe (German Edition)
aus. Als wäre ich der Burgherr, stolzierte ich auf der Außenmauer herum und zelebrierte meine Andachten mit einem Lagerfeuer im alten Bergfried.
Dickbauchige Wolken zogen rasch über den Himmel und verdeckten zeitweise die Sterne. Ich kniete auf der Decke und hielt ein Karnickel an den Ohren. Es strampelte noch schwach. Mein rechter Arm verkrampfte, doch ich streckte ihn stramm nach vorn. Durch die geschlossenen Augen war mein Gehör besser als sonst. Die Nacht war während meines Rituals hereingebrochen. Ab und zu schrie ein Käuzchen und die Flügelschläge der vielen Fledermäuse verstärkten die Schwingungen, die mich erfüllten. Ich fühlte mich bereit, den nächsten Schritt zu gehen, mich weiter von der irdischen Welt zu entfernen, mich dem Allmächtigen hinzugeben. Seit Tagen plante ich diese besondere Zeremonie.
Mein Arm zitterte, doch noch schien Leben in dem Hasen zu sein. Er strampelte zwar nicht mehr, aber ich spürte, wie die Ohren pulsierten. Schwach, dennoch vorhanden. Ich musste durchhalten.
Dass es so schwer würde, hatte ich nicht gedacht. Mir lief der Schweiß über den Rücken und mein ohnehin eisiger Körper wurde nun weitaus ergiebiger vom scharfen Zugwind erfasst.
Ich schaffe das , betete ich mein eigenes Mantra immer und immer wieder. Ich schaffe das!
Ein Kratzen wie von Schuhen auf mit Sandkörnern bedecktem Stein ließ mich erstarren.
Ein zusätzlicher Lufthauch, warm.
Und ein gewaltiger Feuerschein. ER war gekommen, um mich zu erlösen. Ich schluckte, während mein Herz bis in die Ohren pochte.
»Du machst das völlig falsch!«
Ich versteifte mich und das Kaninchen rutschte aus meinen wie gelähmten Fingern in die Glut. Ich öffnete die Augen. In einer herausgebombten Felsnische hockte eine in einen weiten Umhang gewandete Gestalt. Sie hielt eine brennende Fackel in der einen und ein langes Messer in der anderen Hand.
Das Karnickel schrie und kroch mit den nicht gebrochenen Gliedmaßen über den unebenen Sandboden. Es stank nach verbranntem Haar. Der Fremde sprang aus der Nische, packte das Tier und zog die Klinge geruhsam am Hals entlang.
Ich meinte, ein leises Vibrieren förmlich zu hören. Mein Arm baumelte an meiner Seite hinab, der Schmerz war fast unerträglich. Ich schwankte und kniff die Lider zusammen. Ich konnte den Störenfried nicht einordnen.
Er schmiss einige meiner mühsam gesammelten Hölzer in die Glut, entfachte sie mit seiner Fackel und klemmte diese zwischen die aufgetürmten Trümmer. Dann rammte er zwei Stöcke in den Boden, befestigte sie mit Steinen, stieß einen langen Stab durch das Kaninchen und legte es über die Flammen.
»He, was soll das?«
Der Fremde säuberte die mächtige Klinge und blickte auf. Schwarze Haare umrahmten seine Hasenscharte. Ich sah ihn bereits grinsen, bevor er die Kapuze gemächlich nach hinten klappte.
34.
Villa Felthen
Interlaken, Schweiz
1. Juni 1976
L angsam, aber stetig, füllten sich die Terrasse und der Pavillon im Garten. Überglücklich lief Lisa zwischen den Tischen herum, verteilte frisch gepresste Limonade mit bunten Plastikschirmchen, Plätzchen, Schokolade und Eiscreme.
Jedes Mal, wenn sie einen Wagen die Einfahrt heraufrollen hörte, rannte sie zum Rondell, um die nächsten Kinder zu begrüßen. Sie konnte es kaum erwarten, bis John endlich die Tür öffnete und ihre Gäste aus der Limousine kletterten. Die meisten Jungen und Mädchen kannte sie noch aus der Zeit, in der Lena und sie mit Kathy jeden Morgen in den Kindergarten gefahren waren. Seit den Unfällen durfte sie nicht mehr hingehen. Sie verstand nicht, warum. Papi konnte sie nicht fragen, der war neuerdings immer beim Sport. Und Onkel Benni wusste es auch nicht. Sie hatte sich damit abgefunden. Zum Glück kam sie bald in die Schule.
Lisa war zu beschäftigt, um die trüben Gedanken fortzuführen. Sie rannte auf Benni zu, der auf der Terrasse im Schatten stand. Er hatte beide Hände in den Hosentaschen verbuddelt und schaute dem Treiben auf dem Rasen zu.
»Onkel Benni, Onkel Benni.« Lisas Gesicht glühte. »Wir brauchen noch mehr Girlanden. Ich habe nur noch zwei.«
»Schätzchen, ich glaube, es sind jetzt alle Gäste da. Jeder hat eine bekommen. Siehst du?« Benni streckte die Hand aus und wies auf die umherlaufenden Kinder.
Lisa folgte seinem Blick. Alle, selbst Martha, John und Benni trugen eine bunte Kette aus Blumen um den Hals, die Lisa jedem ihrer Gäste zur Begrüßung gereicht hatte. Sie platzte fast vor
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