Satans Erbe (German Edition)
die Dienste des Büros regelmäßig, wenn er Geld erübrigen konnte. Später nahm Herbert Gelegenheitsjobs an, die ihm die Möglichkeit gaben, allabendlich nach Hasloch zurückzukehren. Er konnte diesen Ort nicht verlassen, solange Simon nicht wieder aufgetaucht war. Wie sollte sein Sohn ihn sonst wiederfinden? Die Hoffnung, dass Simon eines Tages vernünftig werden und zu ihm zurückkehren würde, gab ihm täglich neuen Lebensmut. Ohne diesen Lichtblick wäre er verkümmert, Simon war das einzig Wertvolle, das ihm in seinem öden Leben geblieben war.
Müde strich er sein Haar zurecht. Er dachte an seine leere Geldbörse und die Schulden, die sich mittlerweile bei der Hauswirtin angesammelt hatten. Diesen Auftrag konnte er nicht ablehnen, die Vernunft gebot es, auch wenn er Hasloch für eine geraume Weile verlassen musste.
Außerdem wollte er das Sümmchen vergrößern, das er für den Fall seines Todes zusammengespart hatte. Immerhin war er 57 und seit Längerem fühlte er sich krank und schlapp. Er trug jede Mark zusammen, zum einen, um eines Tages würdig unter die Erde zu kommen, zum anderen, um Simon eine kleine Erbschaft zu hinterlassen. Das war das Mindeste, was er noch für seinen Sohn tun konnte. Wäre doch toll, wenn er den Detektiv wieder anheuern könnte …
Herbert zog seine ausgebeulte Jacke über den Pullover, der schon bessere Tage gesehen hatte, und stapfte die Stiege der Pension hinunter. Das gemietete Häuschen war ihm zu teuer und zu groß geworden.
Er hörte, wie sich seine Hauswirtin ächzend aus ihrem Sessel im Wohnzimmer des Erdgeschosses erhob und hinter der Tür stehen blieb. Wahrscheinlich glotzte die alte Schabracke wieder durchs Schlüsselloch. Wie ein kleiner Bengel wollte Herbert die Zunge hinausstrecken, aber er riss sich zusammen. Er verließ das Haus, überquerte die Straße und steuerte zielstrebig auf die leuchtend gelbe Telefonzelle zu. Das Kleingeld klimperte in seiner Hand.
Das Gespräch war schnell beendet, sodass ihm noch einige Groschen übrig blieben. Die Eckkneipe schien ein geeigneter Ort zum Nachdenken und um das letzte Geld auszugeben. Ab morgen würde er ohnehin nur noch Franken benötigen.
Der Wirt begrüßte ihn wie immer auf seine plumpe Art. »Na, alter Sack? Hat die Hexe dich noch nicht rumgekriegt?« Die angeheiterten Gäste brachen in schallendes Gelächter aus.
»Nein, und ab morgen ist’s auch aus damit. Ich fahre in die Schweiz.«
Neugierige Blicke trafen ihn und er setzte erklärend hinzu: »Ich habe einen neuen Job. Wird wohl ein bis zwei Jahre dauern, bis ihr mich wiederseht.«
Ein paar Männer applaudierten und riefen ihm Glückwünsche zu. Herbert rutschte auf einen Barhocker an der Theke, wo das kühle Blonde schon auf ihn wartete. Er schob mit den Lippen die Schaumkrone beiseite und nahm einen tiefen Zug. So gingen die letzten Stunden in Hasloch dahin und nur vage bekam er die Gespräche seiner Kumpane mit, die von einer Mädchenleiche und einer Tasche mit vollständig erhaltenen Papieren erzählten, die man kürzlich im nahen Spessart gefunden hatte. Das Mädchen stammte nicht aus der Gegend und wurde seit einigen Jahren vermisst.
Drei Tage später war Herbert bereits in seine geliebte Arbeit vertieft. Mit den neuen Kollegen freundete er sich wie immer rasch an. Seine Tätigkeit ging ihm leicht von der Hand, er erledigte jeden Handgriff schnell und präzise und stand oft noch in den Gebäuden, wenn alle längst nach Hause gegangen waren. Einige Kollegen kannten seinen Tick. Mit vielen von ihnen hatte er an anderen Orten zusammengearbeitet. Sie trafen sich immer wieder, gerade dann, wenn an den Baustellen die Besten gefragt waren.
Herbert erhob sich von dem umgedrehten Zementkübel. Er musste sich an der Wand abstützen, weil ihn ein leichter Schwindel überkam. Er kniff die Augen zusammen und wartete darauf, dass er vorbeiging. Als Herbert aufsah, klappte ihm der Mund vor Erstaunen auf.
Die tief stehende Wintersonne sandte ihren letzten Schein durch die reich verzierten Buntglasfenster der Kapelle. Ein blutroter Strahl schien direkt auf seine Hand, die gespenstisch auf der weißen Wand leuchtete. Wie in Zeitlupe wanderte der Strahl nach links in eine Fensternische und verharrte, bis er langsam verblasste und verschwand.
Seine Haut kribbelte. Es schien, als hätte Gott ihm einen Weg zeigen wollen. Misstrauisch näherte er sich der Nische und ließ die Fingerkuppen über die Stelle gleiten, an der das Licht erloschen war. Unter seinen
Weitere Kostenlose Bücher