Satans Erbe (German Edition)
rannte Richtung Küche.
Mit gespreizten Beinen, eine Hand verkrallt im Frottee, die andere umklammert am Pistolenschaft, wusste er nicht, wohin er die Attrappe richten sollte. Martha stand auf einem Stuhl und sah aus, als ob sie gleich lachen oder weinen würde.
»Eine Maus, da unten, John.«
John ließ die Spielzeugpistole sinken und wischte sich mit dem Unterarm die nassen Haare und den Schaum aus dem Gesicht. Er bückte sich umständlich und suchte den Boden und den fußnahen Vorsprung der gesamten Küchenzeile ab. Dieser war verkleidet. »Martha?«
»Wirklich. Da unten.«
»Eine Maus könnte sich hier nirgends verstecken, außerdem haben wir kein Ungeziefer … oder sagen wir mal, ziemlich selten.« John richtete sich auf.
»Dann muss ich mich verguckt haben.« Marthas Stimme vollzog eine 180-Grad-Wendung und war schmeichelnd geworden. Sie stieg vom Stuhl und rückte ihn geräuschvoll unter den Esstisch. Hatte sie ihn zu sich rufen wollen? Suchte sie nach einem Vorwand? Jetzt fehlte nur noch …
»Ich weiß ja nicht, ob du Hunger hast, aber da sind ein paar Reste … wenn du magst.«
John verkniff sich ein Grinsen.
Martha wusste nur zu gut, dass sie sein Lieblingsessen gekocht hatte. Vielleicht war der Urlaub der von Felthens ja doch ›saucool‹, wie Lisa behauptete.
»Avec plaisir.« Er lächelte und straffte das Handtuch. »Bin in ein paar Minuten da.«
John legte das Besteck beiseite. »Du hast dich wieder selbst übertroffen. Vielen Dank.«
Martha schob ihm die lauwarme Crème brulée hin, die er vorhin erschnuppert hatte. »Waren wirklich nur Reste.« Sie lächelte. »Wollen wir uns einen Film ansehen? Ich habe Wein besorgt.«
Was ging denn hier ab? »Sehr gern. Rot oder Weiß?« Wetten, einen trockenen Roten?
»Ich bin mir nicht sicher. Steht dort auf der Anrichte.«
Nach zwei ausholenden Schritten hielt John eine Flasche dunkelroten Merlot in den Händen, geöffnet zum Atmen. Immer schön ruhig, Junge. Überlass ihr das Feld. Er würde sich nicht noch mal zum Deppen machen, auch, wenn er sie noch so sehr begehrte. Schließlich hatte sie seinen Heiratsantrag abgelehnt.
Nobody ist der Größte. John kannte den Western in- und auswendig und doch war es ein wahres Vergnügen, ihn mit Martha zusammen anzusehen. Er genoss es, sie zu betrachten, wenn sie lauthals lachte, sie an der Schulter zu berühren und ihr beim Zuprosten in die Augen zu blicken. In den letzten Jahren war das Haus mehr und mehr verstummt, dachte er und schwenkte den Inhalt seines Weinglases.
John war später nicht ganz klar, wie er in Marthas Schlafzimmer gelangt war. Er lag neben ihr auf dem Bett. Bis auf den milchigen Schein des Mondes, der durch das Fenster in den Raum fiel, war es dunkel.
Zuerst waren sie übereinander hergefallen. Ihre tastenden Hände waren überall, ihre weichen fordernden Küsse auf seiner Haut … doch nun lag sie still in seinem Arm. Hatte er sie enttäuscht? Was erwartete sie?
O Gott, er kam sich vor wie fünfzehn, nicht wie 48. John öffnete den Mund.
»Es liegt nicht an dir«, kam sie ihm zuvor. »Weißt du, ich habe als Jugendliche bei Nestlé gearbeitet und … und dann hat dieser Kerl mich einfach vor dem Altar stehen lassen, deshalb! Ich war erst 20, dumm halt, aber ich habe die angefutterten Pfunde nie ganz wieder runterbekommen … und die Sache auch nicht verwunden.«
John lächelte und schüttelte den Kopf. Er zog sie noch dichter an sich. »Martha«, seine Lippen berührten ihre Stirn, »ich, dein John-Pierre, ich liebe dich – und jedes einzelne Kilo. Schon immer!«
Und in Gedanken setzte er hinzu: »Willst du mich heiraten, Martha?«
51.
Schloss Interlaken
Interlaken, Schweiz
Anfang 1972
B edächtig strich Herbert Förster das abgegriffene Schreiben auf dem Tisch glatt. Es war der dritte Brief der kantonalen Denkmalpflege Bern, in dem sie ihn baten, an der geplanten Renovation der Schlosskapelle in Interlaken mitzuwirken. Das fürstliche Gehalt für die Arbeit hatte ihn bislang nicht interessiert, doch nun war es eine Verlockung. Seit sein Sohn Simon vor 63 Monaten über Nacht verschwunden war, juckte ihn nichts mehr. Er zählte jetzt in Monaten, nicht mehr in Tagen. Eine Zeit lang lehnte er alle neuen Aufträge ab und zehrte von seinen Ersparnissen, die aber nach Kurzem aufgebraucht waren, allein durch die Kosten des Privatdetektivs, mit dessen Hilfe er versucht hatte, Simon aufzuspüren. Er schien wie vom Erdboden verschluckt.
Bis heute beanspruchte er
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