Satans Ritter
kannte solche Furcht nicht. Zum einen hatte er schon Schlimmeres gehört und gesehen, zum anderen war er nach mittlerweile einem Jahr auf Highgate Hall beinahe schon taub für das Geheule dieser armen Irren .
Patienten, Mr. Logan! hätte Simon Ludlow ihn ob dieser Bezeichnung gemaßregelt und: Diese Menschen sind unsere Patienten, Mr. Logan, und wir sind hier, um ihnen zu helfen.
Nun, er, Logan, war ganz gewiß nicht hier, um diesem armseligen Haufen zu helfen. Sein Job bestand darin, dafür zu sorgen, daß sie Highgate Hall nicht verließen - sie nicht, und auch jene nicht, die hier waren, »um ihnen zu helfen«.
Wie geronnene Schatten ragten die Gebäude vor Derek Logan in die Nacht auf. Kälte schien von ihnen auszuströmen, als bestünden sie aus schwarzem Eis.
»Ich entdecke hier noch eine poetische Ader in mir«, sagte Logan zu sich selbst.
Er blieb stehen und ließ den Blick wandern. Nichts regte sich zwischen den verschiedenen und unterschiedlich großen Bauten. Natürlich nicht. Es hatte sich ein ganzes Jahr lang nichts geregt, wenn er nachts seine Patrouillen lief. Das machte den Job ja so angenehm.
Derek Logan absolvierte seine Rundgänge nicht nach einem bestimmten System. Er entschied intuitiv, welches der Gebäude er als erstes betrat.
Diesmal entschied er sich für den Westflügel. Darin waren keine Patienten untergebracht, nur eine Reihe von Untersuchungszimmern - und die Räume, die Simon Ludlow und seine hübsche Mi-randa bewohnten.
Logan liebte es, am Schlafzimmer der Ludlows vorbeizugehen, ohne sich Mühe zu geben, besonders leise zu sein. Manchmal ging er vor der Tür auch auf und ab, bis er hörte, wie Simon Ludlow dahinter aus dem Schlaf schreckte.
Ja, danach stand ihm auch heute der Sinn!
»Simon«, flüsterte Logan rauh, während er schon auf das Portal zuging, »es ist Zeit für Alpträume - und hier kommt dein schlimmster!« Er lachte heiser.
Seine rechte Hand umfaßte den schmiedeisernen Türgriff, und seine linke suchte in der Hosentasche nach dem passenden Schlüssel - - als die Tür aufgezogen wurde!
Die Gestalt hinter der Schwelle erkannte Derek Logan erst im Licht des Mündungsfeuers. Der Schuß selbst war nicht mehr als ein halblautes »Plopp«.
»Ludlow?«
Sein Staunen war größer als der Schmerz, der sich glühend in seine Brust fraß.
Simon Ludlows regloses Gesicht verschwand für Derek Logan in schwarzem Nebel.
Wie auch der Rest der Welt .
Ludlow steckte die Pistole in den Hosenbund und beugte sich zu Logan hinab. Er riß ihm das Hemd vor der Brust auseinander, teilte damit den größer werdenden Blutfleck darauf und riß ihm das Kettchen vom Hals. Die daran befestigte Plastikkarte säuberte er gewissenhaft an Logans Kleidung, dann lief er los.
Simon Ludlow hatte alles bekommen, was ihm versprochen worden war.
Jetzt war es an der Zeit, sein Versprechen einzulösen.
*
Milton Banks tat, was er die allermeiste Zeit über tat: Er hing Erinnerungen nach.
Erinnerungen, die nicht seine eigenen waren. Nicht mehr. Seit sie sie ihm genommen hatten .
Er saß in seinem behaglich mit Stilmöbeln eingerichteten Zimmer und blätterte in Alben, die Fotos enthielten, wie sie in keinem Familienalbum der Welt zu finden waren. Er las zum x-ten Male Kopien von Polizeiberichten und Zeugenaussagen und alter Zeitungsausschnitte.
Allesamt hatten sie ein- und dasselbe Thema. Ein grausiges, widerwärtiges, eines, vor dem auch Milton Banks ekelte - - obschon er selbst dieses Thema war.
Milton Banks. Der Serienmörder. »Der Killer, der seine Opfer zum Fressen gern hat«, wie ein Boulevardblatt damals geschmacklos getitelt hatte - wenn auch nicht ganz unzutreffend.
Denn Milton Banks hatte Teile der von ihm Ermordeten gegessen - nicht roh, sondern nach Rezepten aus aller Welt zubereitet, die er nach seinen Bedürfnissen geringfügig abgeändert hatte, indem er beispielsweise für sein Irish Stew nicht Lammschulter verwendet hatte, sondern - Schnell, aber nicht hastig erhob sich Milton Banks aus seinem bequemen Ohrensessel, ging ins angegliederte Badezimmer und übergab sich in die Toilettenschüssel. Sorgfältig spülte er dann am Waschbecken seinen Mund aus und tupfte sich die Lippen trocken.
Dabei betrachtete er sich im Spiegel (aus bruchfestem Glas) darüber, und er tat es, als schaue er in ein fremdes Gesicht.
Tatsächlich war ihm Milton Banks fremd - jener Milton Banks zumindest, von dem in diesen Berichten und Artikeln die Rede war und dessen übel zugerichtete Opfer die
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