Satanskuss (German Edition)
den Tiber.
Ariel hatte von dem Moment an, als sie Fuß auf die Brücke gesetzt hatte, zu allen Engel gebetet, die zuhörten.
Aber die Straße wirkte wie ausgestorben. Keiner der steinernen Engel, weder Gott noch Teufel konnten ihr helfen und ihren beharrlichen Verfolger abschütteln, der langsam aber sicher näher kam.
Ariels Atem ging stoßweise. Sie wusste, dass sie weder die Geschwindigkeit durchhalten noch einen Kampf gewinnen konnte. Sie erkannte, dass ihre einzige Chance eine überraschende Entscheidung sein konnte. Etwas, was so dumm war, dass nicht einmal ein kaltblütiger Mörder damit rechnen – oder ihr folgen – würde. Mit zwei Schritten war sie bei der Brückenbrüstung und mit einem Satz darüber hinweg.
Der Fall dauerte eine Ewigkeit. Aber als sie trudelnd auf die Oberfläche schlug wünschte sie sich, er hätte länger gedauert.
Der Aufprall trieb ihr die Luft aus der Lunge, ihre Kleidungsstücke waren schlagartig mit Wasser vollgesogen, die Kälte drang durch ihre Haut und war einfach überall. Um sie herum, über ihr, unter ihr, links und rechts. Panisch um sich schlagend, versuchte die junge Frau zu entscheiden, wo oben und unten war. Welche Richtung Rettung und welche mehr Kälte und Schwächung bedeutete. Ariel zwang sich zur Entspannung, um ihren körpereigenen Auftrieb folgen zu können. Die Kälte lähmte beinahe ihre Glieder und sie musste gegen das Gefühl der Angst und der Schwere ebenso kämpfen, wie gegen diese Lähmung.
Als sie schließlich prustend auftauchte, fand sie die Luft nur wenig wärmer als das Wasser.
Ihr erster Blick galt der Brücke. Der Maskierte stand oben auf ihr und sah über die Brüstung hinweg ins Wasser.
Für einen Moment schwappte Benommenheit über Ariel hinweg und sie befürchtete, dass er es nicht nötig haben würde, ihr hinterher zuspringen. Die Kälte und das Wasser würden seinen Job erledigen.
Simon fluchte im Stillen, als er Ariel im Wasser sah.
Er wollte gar nicht wissen, wie kalt es war und wie verzweifelt ein Mensch sein musste, um im Januar in den verdammten Tiber zu springen. Erleichtert hatte er beobachtet, wie sie nach einigen Schrecksekunden wieder aufgetaucht war.
Er würde ihr so schnell wie möglich aus dem Wasser und in die Wärme verhelfen müssen, bevor sie sich den Tod holte.
Ariels Worte, genauso kalt wie das Wasser, schollen zu dem Maskierten nach oben: „Es stimmt also, dass böse Geister und Dämonen kein fließendes Wasser überqueren können?“
Ariel lachte und klang in Simons Ohren hysterisch. Das ihr Lachen zum Schluss in ein Husten überging, eignete sich nicht dazu, ihn zu beruhigen.
Der Maskierte ließ einen lauten Schrei hören, eher ein Wutgeheul, als ein echter, menschlicher Laut. Er hätte ihr eine Gänsehaut über den Rücken laufen lassen, wenn sie sich nicht ohnehin in einem halberfroren Zustand befunden hätte.
Zu ihrem Erstaunen setzte sich der Vermummte, kaum dass sein Geheul verstummt war, in Bewegung und lief über die Brücke und entfernte sich in die Richtung, in die Ariel gelaufen war.
Erleichtert begann Ariel zu schwimmen. Es kostete sie große Überwindung, ihre Arme und Beine davon zu überzeugen, dass sie noch funktionieren konnten, dass ihr Überleben von ihrer Willenskraft abhing.
Fluchend band Simon ein kleines Holzboot los und ruderte Ariel entgegen. Keine ihrer Bewegungen, die immer langsamer wurden, ließ darauf schließen, dass sie ihn gesehen hatte.
„Ariel!“, rief er zum wiederholten Male und erhielt endlich ihre Aufmerksamkeit. Ihr Kämpfen erhielt wieder mehr Kraft.
Als der Dämon endlich mit dem Boot an ihrer Seite angekommen war, war sie kaum mehr in der Lage, sich am Boot festzuhalten und ihm zu helfen, sie hineinzuziehen.
Mühsam hievte Simon die tropfnasse Ariel an Bord. Sie zitterte so sehr, dass seine Sorgen wuchsen.
„Ausziehen!“, befahl er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Ariel versuchte es trotzdem zähneklappernd. “Nein!“
„Ariel! Ja!“ Er sah sie drohend an und sie erkannte, dass er ihr die nassen Kleider vom Leib reißen würde. Er zog seinen Mantel aus und reichte ihn ihr. Sie war zu abgekämpft, zu nass und zu kalt, um mit ihm zu streiten. Der Adrenalinspiegel in ihrem Blut hatte wieder einen normalen Pegel erreicht und die Müdigkeit der Kälte setzte mit solcher Kraft ein, dass sie sich kaum aufrecht halten konnte.
Immerhin saß sie hinter Simon, so dass er sie nicht beobachten würde.
Schicksalsergeben begann
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