Satanskuss (German Edition)
mit gemischten Gefühlen. Simon ging ein ungerechtfertigtes Risiko ein, indem er durch Marcus Tod Ariels Schuld untermauern wollte. Er hätte die Kleine einfach dem Polizeipräsidenten und seinen sexuellen Fantasien überlassen sollen, statt durch die halbe Stadt zu hetzen, um seinen Sündenbock zur Strecke zu bringen.
In dem Augenblick, als Simon hochsah, schüttelte sein alter Freund den Kopf. Eine kaum wahrnehmbare Bewegung.
„Was tust du bloß?“ Andros war drauf und dran wütend mit dem Fuß aufzustampfen. Er hatte keine Ahnung, nicht den leisesten Verdacht, was Simon plante. Es konnte nichts mehr mit den Morden in der Stadt oder dem Verwischen seiner Spuren zu tun haben. – Und damit fiel alles, was der Dämon tat unter ein Wort: Verboten.
Andros strich sich die seidenweichen langen Haare aus dem Gesicht und verschlang sie in seinem Nacken zu einem Knoten, um wieder zivilisiert zu wirken.
Der Plan und der Auftrag Simons liefen aus dem Ruder; Simon ließ beides absichtlich aus dem Ruder laufen.
Was sollte Andros tun? Konnte und wollte er Simon der Hölle ausliefern? Selim Bescheid geben oder erst einmal abwarten?
Selim beobachtete aus seinem Versteck, wie Andros Simon und dessen perfekt-tödlichen Schnitt durch den Hals des Polizeipräsidenten beobachtete. Der feminine Cherubin sollte hinterher nicht behaupten können, er habe von nichts eine Ahnung gehabt.
Aber Andros wirkte genauso verwirrt wie er selbst. Bisher war Simon immer sehr bedacht an seine kurzen Besuche auf der Erde herangegangen, hatte Aufträge wortgetreu ausgeführt und niemals einen Fehler gemacht. – Und das, sosehr Selim auch gesucht hatte.
Nun, es war immer noch möglich, dass Simons Plan nicht das war, wonach es aussah. Vielleicht mochte er einfach noch nicht auf die Gegenwart seines hübschen rothaarigen Engels verzichten. Selim schnaubte bei dem Gedanken. Simon war in Beziehung auf Menschen schon immer altmodisch und moralisch gewesen.
Aber früher oder später würde Simon einen Fehler machen. Dann würde Selim ihn zurück in die Hölle schicken und die kleine Novizin zu einem befriedigenden Spiel verleiten.
Er beobachtete, wie Simon sich aufrichtete und sich der Rothaarigen zuwandte.
Für einen Moment glaubte Ariel in der Spiegelung des Messers zu sehen, wie Marcus Augen brachen.
Lauf! , hallte Marcus Stimme in ihr nach, doch sie fing sich erst, als der Maskierte aufstand und sich wieder zu ihr drehte.
Für einen Augenblick glaubte sie die teuflische Aura, die ihn umgab beinahe körperlich zu spüren. Genauso wie die Bedrohung, die sich auf sie richtete. Ruckartig riss sich die Novizin von dem Anblick los und rannte wieder in die ursprünglich eingeschlagene Richtung.
Nach einigen Dächern und gleich bleibendem Abstand zu ihrem Verfolger hielt dieser sich plötzlich mehr rechts und verhinderte, dass sie wie geplant dorthin laufen und sich unter die Menschen der Nachtszene mischen konnte.
Ariel verfluchte ihn im Stillen. Aber immerhin hatte sie durch sein Manöver erkannt, dass er sehr wohl in der Lage war, sie einzuholen. Er war schneller als sie. Wieso also blieb er auf Abstand?
Wohin versuchte er sie zu drängen? Nach einigen seiner Richtungsänderungen gelang es Ariel über zwei nebeneinander liegende, niedrigere Vordächer, auf die Straße zu gelangen.
Wie sie zu ihrem Schrecken feststellte, befand sie sich auf der Straße, die zur Ponte Sant´ Angelo führte.
Mit einem Blick stellte sie fest, dass ihr Verfolger hinter ihr gelandet war und rasch aufholte.
Auch er schien zu wissen, dass ihr nur noch die Brücke oder das Ufer des Tibers blieb. Auf allen drei Wegen würde er sie – bei seinem Tempo – einholen.
Ariel, die wusste, dass sie diese Geschwindigkeit nicht lange durchhalten würde, beschleunigte ebenfalls, so dass der Abstand zwischen ihr und dem Verfolger derselbe blieb.
Sie entschied sich für die Brücke – ihre Lieblingsbrücke, die ihr bisher immer das Gefühl eines Sinns in der Schöpfung verschafft hatte.
Simon lächelte wölfisch und hielt genügend Abstand. Die Verfolgung nahm genau den Verlauf, den er sich ausgemalt hatte. – Allerdings war er darüber erstaunt, wie schnell und ausdauernd Ariel lief. Das könnte später zu einem Problem werden, dachte er. – Ebenso, wie ihre Wehrhaftigkeit.
Als sie die Mitte der Brücke erreicht hatte, wich die Verfolgte abrupt zur Seite aus, nahm einen der zehn Engel von Gianlorenzo Bernini zur Hilfe und sprang ohne jegliche Vorwarnung in
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