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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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trennte einen Bissen von seinem blutigen Darm ab und steckte ihn sich in den Mund, wobei es ihm jedoch nicht gelang, seinen angewiderten Gesichtsausdruck zu verbergen.
    Auch kleine Siege, dachte Nikolai, darf man genießen.
    Dem yang shuang folgte als Zugeständnis an die Gäste aus dem Westen ein Dessertgang, der aber aus Köstlichkeiten der Mandarinküche, wie glasierter Yamswurzel, kleinen Honigkuchen und geliertem Tofu, bestand.
    Nikolai war kurz vorm Platzen.
    Yu lehnte sich zurück und sagte: »Jetzt können wir endlich anfangen, richtig zu trinken.«
    Zu Ehren ihrer jeweiligen Nationalitäten wurde abwechselnd Maotai, Wodka und Pernod getrunken, Letzterer kam aus einer verstaubten Flasche, die der Kellner ganz hinten im Schrank gefunden hatte.
    Man prostete sich zu und trank.
    »Auf unseren französischen Gast.«
    »Auf unsere chinesischen Gastgeber.«
    »Auf die ewige Freundschaft unserer drei Länder.«
    Es war ein weiterer Test, das wusste Nikolai. Man versuchte, ihm die Zunge mit Alkohol zu lösen und wollte herausfinden, ob er tatsächlich derjenige war, der er vorgab zu sein. Ein gefährlicher Test, denn ein Wettsaufen mit Woroschenin war keine leichte Aufgabe – der Russe war ein schwergewichtiger, geübter Trinker und vertrug einiges. Dasselbe galt für Yu, obwohl er relativ klein war, und die Trinksprüche gingen weiter.
    »Auf unseren geliebten Vorsitzenden, den Großen Steuermann.«
    »Auf den Genossen Stalin, der uns den Weg weist.«
    »Auf Jean Jaurès.«
    Zwischen den einzelnen Runden musste Nikolai sich zusammenreißen, um einen klaren Kopf zu bewahren und sich an das Gelernte zu erinnern, da Woroschenin das Gespräch immer stärker auf Guiberts Herkunft lenkte.
    »In Montpellier gibt es ein Café«, sagte Woroschenin beiläufig, »das bei den Einheimischen für seine pains au chocolat bekannt ist …«
    »Le Rochefort.«
    »Am Square de St. Martin.«
    »Nein, am Carré Ste.-Anne.«
    »Stimmt.«
    Mit zunehmend schwerem Kopf dankte Nikolai Solange für ihre Liebe zum Detail und dafür, dass sie ihn immer wieder abgefragt hatte, auch wenn ihm schon ganz schummrig geworden war. Aber genau darum ging es ja beim Einpauken – wie in der Kampfkunst lernte man durch ständiges Wiederholen, eine bewusst vollzogene Bewegung zu einer reinen Reflexhandlung zu machen.
    Woroschenin blieb am Ball. Der Russe teilte mit ihm seine Erinnerungen – einige korrekt, andere falsch – an Restaurants, regionale Speisen, selbst die einheimische Fußballmannschaft.
    Nikolai parierte jeden Angriff.
    Dann fing Chen von Hongkong an. Er war als junger Mann dort gewesen, auf der Flucht vor der nationalistischen Polizei. Er schwadronierte vom Victoria Peak, dem Peninsula Hotel und den Straßenmärkten von Kowloon.
    »Wo haben Sie gelebt?«, fragte er.
    »Auf dem Hügel«, entgegnete Nikolai gelassen. Er erinnerte sich an Haverfords Unterweisungen und daran, dass inszenierte Aufnahmen von ihm vor Guiberts Haus in Hongkong existierten, die sich zweifellos auch in Chens Akte befanden.
    Anschließend fuhr Chen fort, ihn über ein Teegeschäft in seiner vermeintlichen Nachbarschaft auszuhorchen, das es nie gegeben hatte, und Nikolai gestand, den Laden nicht zu kennen. Wäre er auch nur annähernd nüchtern gewesen, hätte er eine derart kindische Falle leicht umschiffen können, aber jetzt, da ihm ein Gemisch aus drei starken Spirituosen durch Magen und Hirn wirbelten, fiel ihm gar nichts mehr leicht.
    Sie saßen nun schon fast vier Stunden zusammen am Tisch und hatten nicht im Entferntesten übers Geschäft gesprochen.
    Aber man hat mich getestet, dachte er, und jetzt muss ich abwarten, ob ich bestanden habe.
    Woroschenin stand schwankend auf. »Ich fürchte, ich muss zurück ins Büro. Sie wissen ja, der Kreml – alles Nachteulen.«
    »Ist bei uns genauso«, sagte Yu und schob seinen Stuhl zurück. Chen stützte ihn beim Aufstehen.
    »Hat mich gefreut«, sagte Woroschenin zu Nikolai. »Diese Augen … ich wünschte, ich könnte mich erinnern … eine Gräfin vielleicht … Dann sehen wir uns in der Oper? Donnerstagabend?«
    »Abgemacht«, entgegnete Nikolai.
    Ich werde dich beim Traum der westlichen Kammer töten.
    Schlaf gut, Genosse Woroschenin.

26
    W oroschenin zog es vor, nach dem Bankett zu Fuß nach Hause zu gehen, um sich den alkoholgeschwängerten Nebel aus dem Kopf zu vertreiben.
    Ein Leibwächter ging voran, die anderen beiden blieben ein paar Schritte hinter ihm, die Hände in den Manteltaschen, am Knauf

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