Satori - Winslow, D: Satori - Satori
seinen Spaziergang mit dem General vor langer Zeit erinnerte. Kishikawa hatte sich auf die wunderschönen Blüten konzentriert, um sich auf seinen Tod vorzubereiten.
Dann sah Nikolai durch die zuckenden Blitze hindurch eine Reihe braungewandeter Mönche mit Bambusstöcken in den Händen auf den Pavillon zukommen.
Es gab ein wildes Durcheinander aus Bambus, einen tai-fung , nur dass die Regentropfen hölzern waren und auf Fleisch und Knochen trafen. Und dann war es auch schon wieder vorbei, wie ein vorüberziehender Sturm. Die überlebenden Banditen flohen zurück in den Wald.
Ohne die kostbare Fracht.
Aber sechs Soldaten und ein Mönch hatten ihr Leben verloren, und andere waren verwundet.
Nikolai hockte neben der Leiche eines Banditen. Yu hielt eine Laterne hoch, und sie betrachteten gemeinsam das Gesicht des Toten. Es dauerte einen Moment, doch dann erkannte Nikolai ihn … der Bedienstete, der Oberst Ki das Mittagessen serviert hatte.
Du warst unachtsam und dumm, sagte sich Nikolai. »Michel Guibert« hat den Hinterhalt nicht durchschaut. Nikolai Hel wäre das nicht passiert. Er beschloss, einen Teil seines wahren Ichs beizubehalten, egal welcher Tarnung er sich in einer Situation bediente.
Im Laternenlicht wischten die Mönche das Blut auf.
Nikolai fand den Abt, verneigte sich tief und entschuldigte sich dafür, Gewalt in das Kloster gebracht zu haben.
»Das waren nicht Sie«, erwiderte der Abt, »sondern die anderen.«
»Trotzdem, ich habe den Anlass geliefert.«
»Und deshalb werde ich Sie bitten, beim ersten Licht zu gehen und nie wieder zurückzukehren.«
Nikolai verneigte sich erneut. »Darf ich riskieren, Ihnen eine möglicherweise unverschämte Frage zu stellen?« Da der Abt nickte, fragte Nikolai: »Ich dachte, Sie wären Pazifisten. Weshalb …«
»Buddhisten sind Pazifisten«, antwortete der Abt. »Wir sind Taoisten. Wir verzichten auf Gewalt, es sei denn, sie ist notwendig. Gastfreundschaft gehört zum Auftrag unseres Ordens. Deshalb waren wir gezwungen, uns zwischen zwei einander ausschließenden Zielen zu entscheiden – dem Wunsch, anderen nicht zu schaden, und unserem Schwur, unseren Gästen Zuflucht zu bieten. In diesem Fall haben wir uns für Letzteres entschieden.«
»Sie kämpfen gut.«
»Wenn man sich für den Kampf entscheidet«, erwiderte der Abt, »hat man auch die Pflicht, gut zu kämpfen.«
Nikolai fand Yu in seiner Kammer, wo er wütend sein Zeug in einen Rucksack stopfte.
»Das waren Ihre eigenen Männer«, sagte Nikolai.
»Ich weiß.«
Sein Gesicht wirkte bereits deutlich weniger unschuldig. Nikolai hatte Mitgefühl, was ihn aber nicht davon abhielt, die notwendige Frage zu stellen. »Wie kann ich Ihnen jetzt noch vertrauen?«
Yu führte ihn aus dem Kloster hinaus an eine breite Stelle des Pfads, wo ein Soldat mit einem Seil um die Brust an einen Baumstamm gefesselt stand.
Es war Liang. Blut rann ihm aus der Nase, und eine violette Beule schwoll unter seinem Auge an. Er war geschlagen worden.
»Er war einer der Wächter«, sagte Yu angewidert. »Der Einzige, der überlebt hat. Er behauptet, er sei eingeschlafen, aber ich vermute, er hat die Banditen absichtlich hereingelassen. So oder so hat er sich schuldig gemacht. Die Mönche wollten mir nicht erlauben, ihn im Kloster hinzurichten, deshalb habe ich ihn hierhergebracht.«
»Sie sollten ihn überhaupt nicht hinrichten.«
»Er hat seine Pflicht nicht erfüllt, das ist das mindeste, was ihm vorzuwerfen ist.«
»Wir haben unsere Pflicht auch nicht erfüllt«, sagte Nikolai. »Wir hätten besser vorbereitet sein müssen.«
»Ihn trifft die Schuld am Tod seiner Genossen«, beharrte Yu.
»Auch dieser Vorwurf trifft uns ebenfalls«, warf Nikolai ein. »Menschen sind nicht perfekt.«
»Aber der neue Mensch muss es sein«, erwiderte Yu. »Zumindest perfekt in der Ausübung seiner Pflicht.«
Nikolai betrachtete Liang, der vor Kälte und Angst zitterte. Und wir debattieren hier über Philosophie, dachte Nikolai. Das ist grausam. Er versuchte es noch einmal. »Vielleicht hat er seine Pflicht gegenüber Ki erfüllt.«
»Seine Pflicht besteht gegenüber dem Volk.«
»Er ist das Volk, Yu.«
Als Reaktion darauf zog Yu seine Pistole aus dem Holster und drückte Liang den Lauf an den Kopf. Seine Hand zitterte, während der Junge heulte und um sein Leben flehte.
Yu drückte ab.
»Jetzt wissen Sie«, sagte er, »dass Sie mir vertrauen können.«
96
Diamond fand sie in Vientiane auf dem Platz vor dem Patou Xai.
Trotz
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