Satori - Winslow, D: Satori - Satori
versuchte Ordnung in die Horde aufgeschreckter Männer zu bringen.
Nikolai hörte das Rattern der Gewehrfeuer und spürte den Luftzug im Gefolge der vorbeizischenden Kugeln. Er hatte Bombardierungen, Prügel und Auseinandersetzungen Mann gegen Mann erlebt, aber das war seine erste Schießerei, und er empfand sie als sehr chaotisch. Die Banditen hatten sich einen guten Augenblick für ihren Angriff ausgesucht – die Stunden des tiefsten Schlafs vor dem Morgengrauen –, und auch deshalb hatte der Kampf etwas von der surrealen Qualität eines Wachtraums.
Die Kugeln allerdings waren real, und Nikolai hörte den dumpfen Einschlag des Geschosses, das den Soldaten neben ihm traf. Der Junge griff an das Loch in seinem Bauch und sah Nikolai mit einem Ausdruck gekränkten Erstaunens an, als wollte er fragen, ob ihm dies wirklich passierte, dann schrie er auf vor Schmerz. Nikolai ließ ihn so sanft wie möglich zu Boden gleiten. Der Junge würde sterben, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte.
Er konnte nur versuchen, die Fracht zu retten.
Nikolai tauschte seine Pistole gegen das Gewehr des Soldaten und ging weiter.
Yu schickte Männer zu den Kisten, die im zentralen Pavillon des Klosters untergestellt waren. Einige der Wachen waren bereits geflohen, zwei lagen tot auf ihren Posten, während drei weitere hinter den Kisten kauerten und auf das Bambusdickicht gegenüber des Pavillons zielten, aus dem die Schüsse kamen. Sie standen unter schwerem Beschuss, und es war absehbar, dass sie nicht mehr lange würden stand halten können.
Yu wollte quer durch den Pavillon auf die Kisten zulaufen, aber Nikolai hielt ihn zurück. Es wäre tapfer, aber sinnlos gewesen, die drei Soldaten auf ihrem isolierten Posten zu verstärken. Wir würden uns nur zu Zielscheiben machen, dachte Nikolai, wären zusätzliche Steine auf einer Position, die sowieso geopfert werden musste und die schon bald vom Brett verschwinden würde. Besser war es, eine neue Position zu schaffen und den Banditen etwas zum Nachdenken zu geben.
Nikolai kauerte hinter einer Steinbank am Rande des Pavillons. Er wartete, bis er Mündungsfeuer im Bambus entdeckte, schoss und hörte gleich darauf einen Mann vor Schmerz aufschreien. Yu tat es ihm gleich, mit demselben Ergebnis.
Die Schüsse jenseits des Bambus verebbten, als die Banditen berieten, wie mit der neuen Situation umzugehen sei.
Nikolai nutzte die Pause, um sich bäuchlings am Pavillon entlang zu einer Bank an dessen Längsseite zu bewegen. Es war besser, wenn die Banditen sich eine Taktik für eine Situation überlegten, die sich schon wieder geändert hatte.
Go ist ein Spiel, das ständig im Fluss bleibt.
Einen weiteren Moment lang herrschte Stille, dann traf Kugelhagel die Steinbank, deren Schutz Nikolai gerade verlassen hatte. Yu presste sich flach auf die Steine und überstand so den Angriff, aber der Beschuss zwang ihn, in Deckung zu bleiben, während ein Dutzend oder mehr Banditen aus dem Bambus heraus auf die Kisten zustürmten.
Nikolai, der sich nun an der Flanke befand, hatte wenig Mühe, den Anführer der Banditen mit dem ersten Schuss zu erledigen, verfehlte jedoch den zweiten und musste erneut feuern. Er traf auch den nächsten Mann, doch die Banditen im Bambus reagierten rasch und richteten ihre Gewehre nun auf ihn. Nikolai machte sich so flach wie möglich, und die Kugeln zischten über ihn hinweg.
Dann holte er tief Luft, stieß sich mit Händen und Fußballen ab und sprang über die Bank.
Die Szene vor ihm, einzig vom Mündungsfeuer beleuchtet, wirkte wie ein Film in einem heruntergekommenen alten Kino mit quietschendem Projektor. Bruchstückhaft nahm Nikolai das Handgemenge bei den Kisten wahr – ein Bayonetthieb, eine Pistole aus geringer Entfernung abgefeuert, der klaffende Mund eines verwundeten Mannes. Er stürzte sich hinein und feuerte, bis er keine Munition mehr hatte. Dann benutzte er das Gewehr wie eine alte chinesische Waffe – eine scharfe Klinge an einem Ende, ein stumpfer Kolben am anderen. Er schlug und stieß, duckte sich und wich aus, ohne nachzudenken gehorchte er allein seinem Instinkt, den er durch ständiges Training verfeinert hatte.
Aber die Banditen waren einfach zu zahlreich. Selbst der geübteste Go-Spieler wird seine wenigen isolierten weißen Steine gegen eine Flut von schwarzen verlieren.
Es war unausweichlich.
Stirb mit Würde.
Hai, Kishikawa-sama.
Die Kirschblüten von Kajikawa trieben vor seinem geistigen Auge vorbei, als er sich an
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