Satori - Winslow, D: Satori - Satori
zweifellos tödlich, dachte er, wenngleich weniger effektiv als hoda korosu . Das war der gravierendste Unterschied zwischen der chinesischen und der japanischen Kampfkunst – Erstere basierte hauptsächlich auf komplizierten Bewegungsabfolgen, während man sich bei Letzterer auf einen schnellen, direkten und tödlichen Schlag konzentrierte.
Nikolai sann darüber nach, welche von beiden wohl die Überlegene war und entschied sich in puncto Schönheit für die chinesische, wenn es jedoch darum gehen sollte, jemanden zu töten, für die japanische.
Auf der anderen Seite des Pavillons paukte Yu mit seinen Schülern die kommunistischen Lehren. Eines seiner Opfer, ein dummer Bauernjunge namens Liang, starrte verträumt ins Bambusdickicht und wünschte zweifellos, er könne dort Zuflucht suchen. Aber Liang war so etwas wie Yus Schoßhündchen und blieb deshalb gutmütig sitzen, als würde er sich ernsthaft für den Unterricht interessieren. Yu setzte große, wenn auch deplatzierte Hoffnungen in ihn.
Noch einen Tag auf dem Drachenschweif, dachte Nikolai. Am späten Nachmittag würden sie dann den Fluss erreichen und ihre Fracht auf die wartenden Boote laden. Nach dem beschwerlichen Fußmarsch würde das Wasser eine schöne Abwechslung sein.
Er ging zurück zu der Kammer, die man ihm zugewiesen hatte. Es war ein kleiner Raum mit einem einzelnen kang , dem traditionellen chinesischen Bett, das mit dünnen Moskitonetzen verhangen war. Jemand war bereits hereingekommen, hatte eine Laterne angezündet und eine Kanne mit heißem Wasser sowie eine alte Porzellantasse für die Zubereitung des Tees gebracht.
Aber Nikolai sehnte sich mehr nach Ruhe als nach der anregenden Wirkung des starken grünen Tees aus dem Süden, und so entledigte er sich seiner Kleider, legte sich auf das kang und streckte sich aus. Er schloss die Augen und meldete seinem Gehirn, dass er sich fünf Stunden Schlaf gestatten würde, denn er wollte lange vor Sonnenaufgang aufwachen, um sicherzugehen, dass die Karawane sich zeitig wieder in Bewegung setzte.
Nikolais Proximitätssinn weckte ihn noch vor seiner inneren Uhr.
Die beiden Männer rochen nach billigem chinesischem Tabak. Ihre schweren Schritte ließen deutlich erkennen, dass sie Banditen waren, keine Profikiller – sie versuchten, leise zu gehen, agierten dabei aber ungeschickt und durchschaubar. Amateure glauben, man müsse sich langsam bewegen, um leise zu sein, während Profis wissen, dass gerade das Gegenteil der Fall ist, und sich mit raschen, leichten Schritten vorwärtsbewegen.
Nikolai zwang sich, ruhig liegen zu bleiben, und schätzte die Entfernung zum ersten Banditen, dessen langsame, schwere Schritte über den Holzboden knarrten. Wenn sie Schusswaffen hätten einsetzen wollen, hätten sie es bereits getan, aber offensichtlich wollten sie Lärm vermeiden, um nicht zum Hauptangriff übergehen zu müssen, bevor sie die Anführer ausgeschaltet hatten. Er würde es also mit einem Schwert, einem Messer oder einer Axt zu tun bekommen, vielleicht auch einer Schlinge, wahrscheinlicher aber mit einer scharfen Klinge, die das Moskitonetz durchtrennen und ihnen die zusätzliche Sekunde ersparen würde, um es zu öffnen.
Also war Zeit genug für hoda korosu .
Er fuhr langsam mit der Hand an seinem kang entlang, tastete nach der Tasse und ließ sie neben sich unter der dünnen Bettdecke verschwinden. Leise zerbrach er die Tasse in der Hand, bis er merkte, wie ihm das Blut über die Handinnenfläche rann, dann klemmte er eine scharfkantige Scherbe zwischen Daumen und Zeigefinger.
Er wartete.
Plötzlich waren keine Schritte mehr zu hören, und Nikolai spürte, dass einer der Banditen innehielt und mit dem Arm ausholte.
Nikolai zog die Scherbe horizontal mit der Rückhand über die Kehle des Banditen und schlitzte sie auf. Der Mes serarm klappte in einem schlaffen, wirkungslosen Bogen her unter, dann fiel der Bandit, der seine Kehle vergebens mit der linken Hand umklammerte, auf Nikolais Pritsche.
Der zweite Bandit beging den fatalen Fehler, näher zu treten und nach seiner Pistole im Gürtel zu greifen, als Nikolai von der Pritsche aufsprang, die schwere Metallkanne packte und wie einen Knüppel herumschwang. Die Schädeldecke des Mannes brach mit einem widerlichen Knacken. Nikolai beugte sich über ihn, nahm die Pistole und trat hinaus ins Freie.
Rotes Mündungsfeuer zerriss die seidene Schwärze der Nacht.
Yu, nur mit einer Hose bekleidet, stand mit einer Pistole in der Hand da und
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