Satt Sauber Sicher
applaudieren, wenn man zwischen sie fährt. Deren Körper man einfach einkaufen und konsumieren kann. Auf dem Trödelmarkt der Schimmelseelen. Der prostitutionsbedingte Menschenhandel, an dem er beteiligt ist, geht manchmal ab wie eine drittklassige Pommesbude. Nutte mitnehmen oder gleich hier essen? Als Beilage vielleicht 'ne Zweite? Die ist nicht mehr so frisch, aber warm gemacht geht die. Roland isst da gerne diese ganze vergiftete Menschenszene leer. Sekundenorgasmen machen weniger Schmerz. Während er fickt, denkt er nicht, sondern ist eine Göttergestalt, die niemand aufhalten kann. Er, der Roland, hätte gern mit ein bisschen mehr Selbstreflexion die Grenzen seines Sexuallebens enger gesetzt. Dass er nicht beziehungsfähig ist, weiß er, aber auf Sex verzichten kann er nicht, denn er fühlt sich in diesen Augenblicken mächtiger als ein Panzer vor einem Gartenhäuschen. Und dieses Gefühl ist doch wohl kaum zu toppen im Kapitalismus der Neuzeit: Macht. Macht ist geil. Menschen für Geld Dinge tun lassen, die sie eigentlich anekeln, ist sogar noch eine Spur geiler. Das sind Rolands letzte Genusszüge auf dem Weg aus dem Leben. Es war einmal ein Vollzeitleben, das kleiner und leerer wird, und die Erkenntnis, dass durch dieses Kapitalhin- und -hergeschiebe nichts besser wird, bleibt zunächst mal aus. Und die Menschen auf der Luststrecke zum Tod sehen nicht sein Leben, seine Lust, sein Leid, sein Menschsein, sondern nur die paar Scheine, die ihm aus den großen Taschen fallen. So haben doch alle was davon, denkt die Ironiepolizei.
Metallische Schleifgeräusche kündigen ICE-Züge an. Der Bahnhof lebt wie bekloppt. Kaffee, Kotze, Doppelkorn entern gleichzeitig über die Nase Rolands Kopf. Das Leben hier ist total verrückt. Entrückt der eigentlichen Menschbestimmung. Leider ist all das Roland egal. Eine Pille (irgendeinValiumpräparat) gegen eine herannahende Schmerzattacke mit einem Schluck Wasser in die Magenklärgrube. Die löst sich da magensaftunresistent auf und kurz darauf auch die kritischen Gedanken.
Situativ erinnert Roland all dies hier an seine an den Nagel gehängte Arbeit an der bösen Börse. Handygeräusche flackern durch die Luft. Menschen schreien in dreizehn Sprachen gleichzeitig und alles hört sich gleich belanglos an. Das alles dringt ungefiltert in Rolands Kopf. Bewusstsein versus Wahrnehmung. Ein steiler Punkt fixiert, lässt keine Orientierung zu. Ein Punkt wird zum Strich. Im Kopf ein Tumult. Gehirnzellen, die sich nicht gerade auflösen, streiten sich mit anderen um ihre Funktion. Roland ist, als könne er mit den Augen hören und mit der Haut sehen. Langsam werden die schrägen Linien wieder gerade. Ein Fixpunkt: der Ticketschalter. Da geht er hin und als er davor steht, ist das Sprechen so schwer wie selten. Nur den Ort will er sagen, wo er herkommt, da will er hin. Dann geht es doch noch. Einfach das kaputte Gehirn einen Moment zur Seite und einfach sprechen. Er ordert dort bei der freundlichen Aushilfsbahntussi ein Ticket mit dem Namen des Dorfs, aus dem er eigentlich kommt. Da bin ich geboren, tönt in ihm die Gegenwartstrompete und eine Vergangenheitsgeige stimmt mit ein, die melancholischer macht, als Roland es erwartet hätte. Nach Hause.
Im Zug. Roland sitzt komfortabel. Nutten kreisen durch seinen Kopf und machen Unruhe. Die Nutten, so billig, so frisch. Vaginalfluchten. Pfirsichblut an Schenkeln. Der Geruch einer viel beschlafenen, weil hochfrequentierten Frau erregt Roland. Das und jeder Atemzug, der noch relativ schmerzfrei abgeht.
Im Abteil ist noch ein hochgradig unattraktiv parfümiertes Wesen zugegen mit überschminktem Damenbart. Erst sehr spät erkenntRoland, dass es einfach nur ein schlecht rasierter Mann ist. Der sitzt vor ihm und blickt trübe ins Leere. Neben Roland sitzt eine Businessfrau im Kostüm. Die Beine übereinander geschlagen, das Gesicht fein, der Blick konzentriert. Eifrig klappert das Laptop. Monoton. Roland stellt sich die Frau um seinen Schwanz vor. Unterdessen verlässt dieser geschminkte Typ das Abteil. Wahrscheinlich ein Transvestit oder dergleichen showkrankes Ding. Es stellt sich keine Erektion ein. Roland kratzt sich am Genital und weiterhin passiert rein gar nichts. Das frustriert ihn. Er beginnt ein Gespräch, weil er die Stille in sich und um ihn nicht erträgt. Will sie unter Wasser drücken die Stille mit der Gewalt bedeutungsschwangerer Worte. Die Stille ausmachen. Jetzt. Roland versucht ein "Hallo", worauf die Frau, nicht
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