Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)
Großvater mich gemalt hatte. Ich hatte gar nicht die Absicht, irgendetwas anzufassen, ich trug einen hübschen schwarzen Anzug mit einem weißen Spitzenkragen und hatte Angst, ich könnte ihn schmutzig machen, denn alle sagten, ich sähe aus wie ein kleiner Prinz. Und ich hatte Angst, sie würden das nicht mehr sagen, wenn ich das Hosenbein zerreißen oder etwas Schmutziges anfassen würde, und dort war alles schmutzig. Großvater wollte, dass ich mich auf einen Stuhl setze, aber ich sagte, der sei verkleckert und ich hätte saubere Kleider. Er lachte schallend und holte einen sauberen Stuhl; und er stellte einen Notenständer vor mich hin. »Weil du so gern singst«, sagte er. Ich musste stillsitzen, und ringsum war nichts Interessantes, nur Dreck und alte Bilder. Eins mit einem nackten Herrn. Aber ich hatte Angst, Großvater zu fragen, was das für ein Bild sei, wie hätte ich ihm das auch verständlich machen können. Erst als Großmutter mit der Schokolade kam – für Opa in der Tasse, für mich in einem einfachen Becher, damit nichts kaputtgeht –, fragte ich sie, was für ein Bild das sei. Und sie antwortete mir mit warmer Stimme, das habe Papa gemalt, denn Papa sei auch Maler. Das wunderte mich sehr; aber gleich darauf sah ich das Porträt, auf dem ich den Hut trug, der damals in der Diele geblieben war. Und den ich eben nicht auf dem Kopf gehabt hatte.
»Das macht man nicht«, sagte ich, »das ist geschummelt.« Ich ging, und alle lachten mächtig darüber. Und sie schnalzten und sagten, ich sähe diesem anderen Mariano, dem mit dem gefälschten Hut, aber sehr ähnlich.
XII
Die drei Parzen
Weit, weit ergießt sich das Leben: Es fließt, milchig vom Vollmond, zwischen waldbewachsenen Hügeln und scheint endlos, frei; im Frühling breit über die Ufer tretend, im Herbst rasch zum Delta der vielfältigsten Ausgänge strebend.
Aber dieses Rauschen, dieses leise Geräusch, ist weder das Rauschen des Wassers noch das Rauschen der Blätter in den großen Federbüschen der Zweige – es ist das zügige Weiterschieben des biegsamen, lebendigen Fadens, der sich fast wie ein Regenwurm windet, wie eine pulsierende Ader; das Weiterschieben in uralten Fingern, mit Hornhaut an den Rändern und glattgeschliffen an den Stellen, wo weitere Fäden entlanglaufen, unaufhaltsam.
Niemand sieht ihre Gesichter, sie vollbringen ihr Werk hinter unserem Rücken, aber mit Sicherheit sind sie abstoßend: Alter und Rücksichtslosigkeit haben die Frauen in geschlechtslose, graubraune Marionetten verwandelt, mit riesigen Zinken, haarigen Nasenlöchern, mit räudigen Augenbrauen, die Schatten auf die triefenden Augen werfen. Und die Finger? Schaut euch diese Finger an, knotig, dick, bäuerisch, zum Umgraben von Erde und Verstreuen von Mist geeignet und nicht für die Beschäftigung mit subtilen Handarbeiten: zum Spinnen, Messen und Abschneiden des menschlichen Lebens. Oh, in was für Hände bist du geraten, Seelchen. In schmutzige, dickhäutige. Du sitzt da, einen Arm auf dem Rücken, mit einem Fetzen umhüllt, und kannst nur mit dem linken Fuß baumeln, mit dem Lid blinzeln – das ist wenig. Ebenso wenig bedeutet dein Wille – kein Seefahrer bist du, sondern ein Stück Kork, getragen, wohin die Welle will.
Man hat dich mit Dummheiten über Hexen gefüttert, die Krankheiten besprechen, Milch in Kuheutern kochen, mit kabbalistischen Zeichen bedeckte Eier legen. Über Hexen, die hoch über der Welt der frommen, über die Erde gebeugten Menschen schweben, Hexen, die sich mit Fett von Gehängten einschmieren und sich auf Schürhaken oder Gabeln setzen; aber es gibt keine schlimmeren, es gibt keine anderen Hexen als die: Klotho, Lachesis, Atropos. Die eine hält in der Pfote ein Wollknäuel, um eine kleine Figur geschlungen – ja, das bist du, du bist es, Seelchen, animula, vagula, blandula –, und wickelt schnell den Faden ab. Die zweite misst mit einem kleinen Spielzeug, mit einer Schlange, die sich in den eigenen Schwanz beißt, weitere Zyklen ab: Frühling-Sommer-Herbst-Winter, Frühling-Sommer-Herbst-Winter, und noch einmal, noch einmal, aber sie zieht die kahle Augenbraue hoch, denn irgendwie scheint ihr, es sind zu viele Umdrehungen. Die dritte klappert immer wieder ungeduldig mit der schwarzen Schere, die knirscht vor geronnenem Blut. Schnipp-schnapp, schnipp-schnapp.
Festgebunden, über das helle Wasser des Flusses in unbekannte Richtung fortgetragen, spürst du nur das Pulsieren in den Handgelenken, die mit dem
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