Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)
eines Falles verschwinden könnte, stellte die Leuchter direkt an die Staffelei und schaute.
Ach, der Teufelskerl. Er hatte sich die ganze Zeit versteckt. So getan, als könne er kein Wässerchen trüben; alles glatt und nett. Wie beim Bischof zum Mittagessen. Und jetzt hatte er die Krallen gezeigt. Gesicht, Nase – nicht besonders, aber die Haare, diese fettigen Zotteln – hervorragend. Die Faust hat irgendwie zu viele Knöchel, ist zu rund, aber der Ellbogen – hervorragend. Die Pferde – na ja. Obwohl – einige kann man durchgehen lassen. Die kommen mit dem Leben davon. Aber der Mut zu dem dunklen Dreieck in der rechten unteren Ecke, der Kontrast zu den kleinen Figuren – toll. Nicht so gut die Bäume weiter hinten, bisschen wie Champignons. Aber dann der Kanonenrauch, die Wolken, durch die man den muskulösen Körper schimmern sieht … Er muss ein Bild des Farnesischen Herkules zur Hand gehabt haben … Ach, dieses Durchscheinen ist hervorragend! Hervorragend. Es ist sehr dunkel, ich habe die Kerzen aus dem Kandelaber genommen und hinter dem Hutband befestigt. Na bitte. Dass er uns den Rücken zuwendet, gefällt mir. Ja, was ist das eigentlich, Kraft? Aber auch Leiden, dieser Moment, in dem der Titan sich anspannt – wie der geblendete Samson, dem die Haare wieder gewachsen sind und der sich gleich an den Philidingsda rächen wird. Das gefällt mir, das ist was. Und der mächtige Streifen, der Schatten zwischen den Wolken, der vom Arm zum Bildrand geht? Das ist nicht geschleckt, nicht getüttelt, das ist richtig männlich! Die Tiere sehen ein bisschen aus wie auf der Hühnerleiter, zu gleichmäßig. Aber insgesamt – alle Achtung! Wir werden noch die Decken im Escorial zusammen bemalen!
Nur dieser Rappe links, der ist wirklich … Moment – ich griff nach der Palette, rührte etwas Ocker an, etwas Dunkelblau, etwas Beinschwarz, und korrigierte ihm diesen seltsamen Buckel. So. Und noch ein bisschen.
Javier spricht
Am nächsten Tag schlief ich lange. Als ich die Augen aufschlug, sah ich Gumersinda, über mich gebeugt, besorgt, mit einem Gesichtsausdruck, als würde sie gleich Witwe werden und müsste ein schwarz gekleidetes Kind zum Grab seines Vaters führen. »Was gibt’s?«, fragte ich. Es war, als wäre sie plötzlich zu sich gekommen, aber sie schwieg, erhob sich und sagte dann: »Was? Nichts. Es ist schon lange Mittag, und du liegst im Bett und vergeudest den Tag.« Sie drehte sich um, rauschte mit dem Kleid, verließ den Alkoven und schlug die Tür zu.
In den Tagen davor war ich im Morgengrauen aufgesprungen, sobald genug Licht zum Malen da war, als hätte ich es gespürt, als hätte ein Hahn in mir gehockt und »Jaaaaavieee-er, Jaaavieee-e-er« gekräht und mich wie eine Puppe zur Staffelei gezogen, während ich mir frierend schnell etwas überwarf. Sofort zu den Gefäßen mit den Pinseln, mit Öl und Terpentin, Farben mischen, von der Leinwand wegtreten und wieder ein Stück näher heran. Und jetzt – nichts dergleichen. Ich zog mich ordentlich an und ging im Rock ins Atelier. Ein Bild eben. Nichts Besonderes. Nur den Rappen in der linken Ecke sah ich mir genauer an – wie hatte ich so etwas durchgehen lassen können? Ich krempelte die Ärmel hoch und korrigierte vorsichtig, um die Kleider nicht zu beschmutzen, das seltsam flache Pferd. So. Und noch ein bisschen.
Natürlich ließ ich das Bild eine Weile stehen, damit es richtig trocknen konnte. Ab und zu ging ich hin und schaute nach, ob das Impasto nicht bricht. Als die entsprechende Zeit – ich fragte bei Asensio nach – vergangen war, trug ich den Firnis auf. Und da stand nun das Bild auf der Staffelei – wozu? Wie ein Vorwurf stand es da. Selbst wenn ich von einem Stockwerk ins andere ging, wenn ich abends Karten oder mit dem Kind spielte, wusste ich, dass es dort steht, mit seiner ganzen verborgenen Kraft in den gigantischen Muskeln, die sich trotz allem als nicht ausreichend erwies. Schließlich konnte ich mit ihm nicht mehr unter einem Dach leben; ich ließ es einpacken und Vater in die Calle de Valverde schicken. Als der Bote zurückkehrte, sagte er: »Er lässt den gnädigen Herrn grüßen.« Grüßen. Sollte das ein Witz sein?
Mariano spricht
Vater? Dass er gemalt haben soll? An irgendetwas erinnere ich mich, ich muss noch ziemlich klein gewesen sein, ein paar Jahre alt – wir gingen zu den Großeltern, und unter der Bedingung, dass ich nichts anrühre, erlaubte man mir, das Atelier zu betreten und zu schauen, wie
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