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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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den Waden und Lenden, ich trete ein – und tatsächlich. Der Teufelskerl steht an der Staffelei, fährt zusammen, ich hab es gesehen, aber er tut, als hätte er mich nicht bemerkt, als wäre er ganz konzentriert. Gut, meinetwegen, denke ich und schleiche mich von der Seite an, und tatsächlich, verdammt. Er malt. Ist fast fertig. Ein bisschen in meinem Stil, die Farben gehen, die Pferde sind schrecklich, aber was soll’s. Für Tiere hat er nie ein Händchen gehabt, ich – ehrlich gesagt – auch nicht; jedes Porträt konnte ich aus dem Ärmel schütteln, aber beim Gedanken an ein Pferd brach mir der Schweiß aus. Wenn der König gewollt hätte, dass ich die ganze Familie zu Pferd male, hätte mich wohl der Schlag getroffen; ein Pferd ist schon zuviel, da passt sowieso nichts zusammen, der Hintern wie ein Ball, der Kopf hager, die Beine kommen wer weiß woher, eine Strafe Gottes. Ich schaue und schaue, er sieht mich die ganze Zeit und weiß, dass er nicht mehr so tun kann, als sähe er mich nicht, also zeigt er schließlich, dass er mich sieht. Scheinbar überrascht. Und er gestikuliert mit den Händen. Ich schaue, kneife die Augen zusammen, verziehe das Gesicht und sage: »Hmm … hmm … jaaa …«

Javier spricht
    Beide standen wir da. Ein Ich malte die dahinjagenden Truppen, mischte die Farben auf der Palette, trug einen Tropfen von diesem und jenem auf, gab Zinnober und Siena dazu, warf ein paar Wolkenspritzer auf den kupfernen Körper des Kolosses, erledigte all das, was noch zu tun war; das zweite Ich spielte, in einer ganz anderen Szene, wenn auch am selben Ort, in Gedanken verschiedene Gesten und Worte durch. Ich sah, wie Vater hereinkam, ein Lächeln auf dem Gesicht, denn er hatte schon erfahren, dass sein missratener Sohn ein großes Werk in Angriff genommen und einen Koloss gemalt hatte, der das heldenhafte Spanien vor dem Eindringling schützt. Ich spielte es im Kopf durch wie eine Theaterszene, endlos: Er tritt an die Staffelei, seine Augen werden groß wie Untertassen und füllen sich mit Tränen. Tränen der Rührung. »Mein Sohn«, sagte er, »du kannst malen!« Als würde er zu seinem wundersam geheilten Kind sagen: »Mein Sohn, du kannst gehen!« oder: »Mein Sohn, du kannst sehen, du hast es durchschaut!« Ich bekam zurück, was mir genommen worden war, was zurückgehalten worden war, wurde mir geschenkt. Und ich sah, wie er den Pinsel in die Farbe tauchte, so wie einst der König den Pinsel in Scharlachrot tauchte und Velázquez ein Kreuz auf den schwarzen Kaftan malte, was Vater mir einmal erzählt und auf einem misslungenen Stich gezeigt hat, den er nicht abziehen wollte – und wie der König schreibt er an den rechten unteren Rand »1 J«. Das erste Bild von Javier. Noch einmal: »1 J«. Das erste Bild von Javier. Noch einmal: »1 J«. Das erste Bild von Javier. Und noch einmal und noch einmal.

Francisco spricht
    Einen erwachsenen Mann soll man nicht verzärteln, also brummte ich nur etwas und sagte, dass ich hier bin, um eine Flasche Terpentin zu holen, die der Fischersmann vergessen hat.

Javier spricht
    Er sagte kein Wort, grunzte nur, brummte in seinen Bart, nahm das Terpentin, wegen dem er gekommen war, und weg war er. Von der Treppe hörte ich noch sein lautes: »Auf Wiedersehen, Gumsi!«, weil sie wohl just vorbeiging – und dann das Rattern der Kutsche. Er fuhr malen. Seine großen Werke. Seine berühmten Gemälde.

Francisco spricht
    Als ich ging, traf ich auf der Treppe Gumersinda, irgendwie verschüchtert, mit zerzausten, abstehenden Haaren; ich neigte mich so weit zu ihr, dass mich eine Strähne an der Nase kitzelte, und sagte, ich würde spät in der Nacht wiederkommen, wenn Javier ratzt; sie solle unbedingt warten und mich reinlassen, ein Mann in meinem Alter könne mitten in der Nacht nicht lange vor der Tür in der Kälte stehen. Sie wartete also und ließ mich herein. »Javier hat sich aufs Bett geworfen, sobald Ihr weg wart, Vater«, schrieb sie, »ich fürchte, er könnte krank sein; er hat Fieber, seine Augen leuchten.« Ich lächelte und sagte: »Mädchen, ach Mädchen, das ist normal, du hast einen Künstler geheiratet, und dem Künstler heizt der Teufel ein, dem alten wie dem jungen. Selbst wenn er, na ja, ein bisschen wie ein Kloß aussieht.« Ich nahm zwei große Leuchter aus dem Esszimmer, zündete die Kerzen an, schloss mich im Atelier ein und sagte, ich wolle nicht gestört werden, es sei denn, Javier würde aufwachen; dann sah ich mich um, wo ich im Falle

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