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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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pulsierenden Lebensfaden umwickelt sind: Es ist dein Blut, das an die Wand des anderen Blutes klopft.

XIII
Javier spricht
    »Ich bin nicht krank«, sagte ich zum x-ten Mal, »ich will einfach schlafen und ausruhen.« Aber Gumersinda rief immer wieder irgendwelche Ärzte, die mich untersuchten, den Kopf schüttelten, mit geplagter Miene dumme Fragen stellten, am Urin rochen und ihn gegen das Licht hielten, den Puls maßen, Blutegel anlegten und mich Kräuter schlucken ließen. Doch ich war nicht krank. Ich spürte einfach, nach fünfundzwanzig Jahren meines Lebens, dass ich kein Mensch, sondern eine Holzpuppe war und die Fäden an meinen Schultern, Ellbogen, Händen, Knien und Füßen, an meinen Lidern und Lippen abgeschnitten waren und wie lange tote Haarsträhnen auf dem Boden lagen. Marionetten mit abgeschnittenen Fäden sind nutzlos, man sperrt sie in Kisten und vergräbt sie. Oder legt sie zumindest in den Schrank, wo sie ihre Ruhe haben und nicht von Marionetten in schwarzen Arztgewändern, von einer besonders aufdringlichen Marionette in einem Damenkleid und der etwas angeschlagenen Figur eines alten Wildschweins belästigt werden, das sich ins Haus schleicht und nach dem schnüffelt, was es am meisten liebt, nach seinen Leckerbissen, seinen Trüffeln: Fäulnis, Tod, Krankheit.
    Auch Mutter kam zu mir. Aber sie sagte so gut wie nichts – sie verstand. Sie war ihr Leben lang begraben. Wie ein Maulwurfweibchen, das Gänge in die fette Erde gräbt, Junge gebiert und die Fehlgeburten verscharrt, sobald sie kalt sind, und die besten Wurzeln für ihren Befruchter sucht. Ich nahm mir ein Beispiel an ihr. Ich bedeckte den Kopf mit dem Kissen, drehte mich zur Wand und sagte mir: Sieh nur. Fünfunddreißig Jahre wie eine von einem Stein erdrückte Bohne verbringen, weiße Triebe treibend, die blind nach Licht und Luft suchen. Eine Dame sein, die Frau eines Reichen, und fünfunddreißig Jahre wie eine Dienstmagd leben, die ihrem Herrn alles, aber auch alles recht macht und dennoch unwichtiger ist als der Stierkampf, als die S ainetes , als der Schulfreund, mit dem er unzählige Briefe wechselt, als die Modelle, die herausgeputzten Damen, die Bilder, als der ganze Rest der Welt. Was war denn unwichtiger als sie? Eine Ratte, die über den Hof läuft, ein Blatt? Verschüttetes Wasser, ein Büschel Katzenhaare?
    Sie saß an meinem Bett und sah mich schweigend an. Ich wandte mich ab von der Wand, langsam. Eine Puppe mit abgeschnittenen Fäden tut alles langsam, für schnelle Bewegungen hat sie keine Kraft. Ich legte das Kissen, mit dem ich vorher das Gesicht verdeckt hatte, unter den Kopf, öffnete weit die Augen und blickte in die ihren, und es war, als schütteten wir schwarze Erde von Augenhöhle zu Augenhöhle, mit Steinchen, Käferlarven, Wurzeln, mit klebrigen Lehmbröckchen und aufgequollenen Gräsersamen, von Auge zu Auge, ohne ein Wort, ohne Ende.

Mariano spricht
    Papa war krank. Nicht so wie Opa, der nichts hörte, weshalb ich Mama bitten musste, ihm auf einen Zettel zu schreiben, was ich ihm sagen wollte, oder so wie Oma, wenn sie in ihrem Zimmer blieb und niemanden hereinließ außer dem Dienstmädchen mit Kräutern, noch so wie ich, als ich zu Hause bleiben, wie ein Stein im Bett liegen und Fliedersaft trinken musste, um ordentlich zu schwitzen. Sein Körper war gesund; er war nicht heiß vor Fieber, pulsierte nicht, keiner seiner Teile strahlte Schmerz aus. Aber Vater war in einer anderen Welt, so schien mir, und hier, bei uns, war nur sein Körper mit einem kleinen Rest Leben geblieben, der lediglich für die einfachsten Tätigkeiten reichte.
    Ich hatte ihn nie anders gekannt, deshalb fand ich daran nichts Besonderes.
    Erst als ich die Erfahrung machte, dass andere Kinder nicht so verschlafene Väter hatten, begriff ich, dass mir etwas fehlte – aber ich erfuhr auch, dass viele Kinder überhaupt keine Väter hatten, da diese aus Madrid hatten fliehen müssen, von den Franzosen oder umgekehrt, von Patrioten getötet worden waren, weil sie Afrancesados waren und beispielsweise einen Orden von König Flasche erhalten hatten (wir kleinen Jungen nannten ihn nie anders, es sei denn, gegenüber dem Lehrer, der im Übrigen sicher zu Hause auch Pepe Botella sagte und nicht »unser König von Gottes Gnaden Joseph I. von Spanien«); ich hatte zwei Freunde, deren Väter Josefinos waren, und den beiden blieb wohl keine der Gemeinheiten erspart, die Siebenjährige einander auf dem Schulhof zufügen.
    Doch es gab

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