Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)
sie einander fressen werden. Auch alles andere hat sie erledigt – sie hat den Konsul empfangen, der die Leiche sehen und die Identität bestätigen musste, hat bei den Franziskanern einen Habit gekauft, weil der Alte im Habit beerdigt werden wollte, hat noch zusätzliche Klageweiber bezahlt, worauf sie hätte verzichten können, und schließlich hat sie diese Frau beruhigt und ihr gesagt, sobald ich käme, würden wir alles regeln und das Vermögen gerecht verteilen.
Und das taten wir. Zuerst suchte ich die Pistolen, denn ich war mir sicher, dass sie wertvoll und von bester Qualität sind; was Werkzeuge betrifft, mit denen man töten, erstechen, die Adern aufschlitzen oder den Schädel zertrümmern kann, so hatte Vater immer einen guten Geschmack und sparte nicht am Geld. Danach habe ich mich um das Silber gekümmert, das versteht sich von selbst. Gut, dass das Personal zumindest darauf achtete und bis zu meiner Ankunft nichts abhandenkam; nur ein Teller war verschwunden. Aber jemand erinnerte sich, dass er neben dem Bett gestanden hatte, in dem der Alte starb. Ich ging hinauf – das Bett war schon ordentlich gemacht, und mitten auf der Decke lag ein kleines, verwelktes Sträußchen, das sicher von Rosario stammte. Ich nahm den Teller in die Hand, stand eine Weile da und dachte an ihn. Dass er sentimentale Gesten nicht ausstehen konnte, dass er nie Blumen gemalt hat. Wenn sie ihm eine Freude machen wollte, hätte sie ihm ein Perlhuhn mit verdrehtem Hals aufs Bett legen sollen, einen gehäuteten Kalbskopf, etwas, was er hätte malen können – aber woher hätte so ein geschniegeltes, dummes Mädchen mit seinem sauberen, langweiligen Strich das wissen sollen? Blümchen. Blümchen. Ach. Ich nahm den Teller, ging in die Küche und passte auf, dass alles richtig eingepackt und nach Madrid verschickt wurde.
Und dann ging ich zu dieser Frau und sprach mit ihr, deutlich und recht trocken, denn ich hatte nicht die Absicht, eine Szene zu machen und mich an ihrem Untergang zu weiden; ich hatte nicht die Absicht zuzugeben, dass dies ein Triumph für mich sein könnte; also sagte ich ihr sachlich, aber deutlich und dennoch irgendwie großzügig, was ich dachte: »Sie sind in der Fremde und möchten vielleicht in Ihr Land zurückkehren; hier ist ein Scheck über tausend Franken, das müsste genügen.« Ich wollte noch hinzufügen, ihr Mann warte sicher sehnsüchtig auf sie, aber das wäre niederträchtig gewesen. »Die Möbel und die Kleider können Sie behalten«, ergänzte ich nur. Sie begann irgendetwas zu erzählen – sie suche schon eine billigere Wohnung, aber Francisco habe sie im Testament berücksichtigen wollen, es gäbe ein Vermächtnis, außerdem der Flügel, dann müsse sie den Flügel verkaufen, und das würde Rosario sehr betrüben; sie redete ziemlich wirr, verlor sich in Einzelheiten, und ich stand da, was hätte ich auch sonst tun sollen, und hielt den Wisch über tausend Franken zwischen zwei Fingern; schließlich drückte ich ihn ihr in die Hand und sagte: »Wenn es ein Vermächtnis für Sie gibt, dann finden Sie es bitte und bringen Sie es unbedingt zum Notar. Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich habe viel zu erledigen.« Ich verbeugte mich, nicht übertrieben allerdings, legte die Hand an die Krempe des Huts und ging. Die Miete war bis Ende des Monats bezahlt, wir mussten alle dieses Haus verlassen, also machte ich mich auf, ein anständiges Hotel zu finden, in dem ich mit Gumersinda und Marianito wohnen konnte.
XXIII
Der Hund
Der Hund ist allein. Vollkommen allein. Der einsame Hund ist unglücklich. Manche meinen, er versinke in weichem Sand, manche, er strecke nur den Kopf hinter einem sonnenverbrannten Hügel hervor; aber dem Hund ist es völlig egal, ob er versinkt oder ob er über die nicht enden wollende ausgedörrte Erde läuft, durch heiße Asche. Denn ihm ist alles völlig egal.
Selbst wenn man genau ausrechnen würde, wieviel Oberfläche der Kopf des Hundes einnimmt: das herunterhängende Ohr, das Stückchen Hals, der schwarze Punkt der schnuppernden Schnauze und das weiße Pünktchen des sehnsüchtigen Auges, und dann schauen würde, wievielmal diese Fläche in die Unendlichkeit des Ockers, des schmutzigen Van Dyckschen Brauns, in dieses von stechendem Licht (und ein wenig Bleiweiß) aufgehellte trübe Gelb hineinpasst, selbst wenn man diese große Leere durch den Mangel an Leere, das heißt, den einsamen Schädel, teilen könnte, würde man nicht begreifen, wie sehr er leidet.
Die
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