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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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Väter diese um fast jeden Preis aus dem »guten Haus« haben wollten; die Trantüte gab mir hin und wieder etwas, nicht viel zwar, jedenfalls weniger, als er hätte können, aber schließlich hatte ich das von Großvater zurückgelegte Kapital – rührend, wie er noch in den letzten Tagen bemüht war, es auf die glatte Summe von zwölftausend Dividende im Jahr zu bringen. Ein Tausender im Monat. Nicht, dass er sich etwas verkniffen hätte; er lebte bequem, hatte ein recht hübsches Häuschen gemietet, wo er mit der Dame seines Herzens wohnte, Schokolade mit Milch und Zimt konnte er nie genug kriegen, also musste ich keine Gewissensbisse haben. Und ist es im Übrigen nicht die Pflicht der Alten, die Zukunft der Nachkommen zu sichern?
    Wir waren also abgesichert, sie und ich, ich und sie.

Javier spricht
    Mir wäre Madrid lieber gewesen, aber Mariano bestand darauf, die Hochzeit solle im Haus des Tauben stattfinden. Nicht in der alten Bruchbude, die sich noch an die Schreie einer gewissen Dame und des Alten erinnerte, der die mit Farbe versauten Finger am Boden abwischte und Karikaturen von Bekannten an die Wände schmierte, sondern in einem neuen Haus, das auf einen eleganten jungen Herrn zugeschnitten war. Was Vater genügen musste, wurde zum beschämenden Hinterhaus mit Rumpelkammer, Dienstbotenzimmern und Küche. Seitlich davon entstand ein ganz neues Gebäude, vom alten durch ein großes Tor zur Diele getrennt, das fast bis zum Dach des ersten Stockwerks reichte; unten und oben je ein großer Saal und einige kleine Zimmer; unten ein Salon, oben ein großer Raum, der als Musikzimmer genutzt werden sollte; das Treppenhaus wie aus einem Palast für Riesen, mit zwei Aufgängen, repräsentativ, auf dem Treppenabsatz sollte eine Büste des berühmten Goya, Verzeihung, de Goya stehen, auf einem Postament – kurzum: der reinste Escorial.
    Zimmerleute, Maler, Stukkateure liefen tagelang hin und her; bis auf den letzten Pinselstrich schlugen wir alles ab, was der Alte während seiner lustigen Saufgelage an die Wände geschmiert hatte: Doktor Arrieta in einer Mantille, als ehrwürdige Matrone posierend, den alten Weiss mit den Pfoten auf einem Sack Gold, wobei ihm das Wasser im Mund zusammenlief, Felipe mit einer löchrigen Gießkanne, die »Nachteulen«, die dieser und jener anschleppte und mit denen Leocadia angeblich sofort eine gemeinsame Sprache fand, was mich übrigens keineswegs wundert. Ich versuchte, die Bilder irgendwie zu erhalten, die einzelnen Stücke Putz auf Leinwand zu kleben, aber alles zerbröselte und ich gab auf – wer hätte sich denn auch Karikaturen fremder, uninteressanter Leute kaufen und an die Wand hängen wollen? Zum Beispiel von mir – einer in einen Rock gepressten dicken, formlosen Masse, die über einer Tasse Kräutertee Tränen vergießt? Niemand, denke ich. Kein Verlust.
    Die von Mariano in die Wege geleiteten Arbeiten schienen mir chaotisch und grotesk: Wie sollte man eine monumentale Treppe mit dieser baufälligen Hütte verbinden? Und dann die Pläne, den Garten in einen englischen Park umzugestalten – mit diesen mickrigen Beeten, die Felipe immer mit einer kleinen Hacke bearbeitete? Man brauchte nur zwei Türen zu passieren, und man kam von einer Marmortreppe in eine heruntergekommene Speisekammer. Die Büste sollte aus rosarotem Marmor bestehen, aber vorläufig wartete sie noch auf ihre Fertigstellung; sie war aus Gips gemacht und so angemalt, dass sie aussah wie aus Stein. »Wer wird das schon merken«, fragte Mariano, »zumal am Tag der Hochzeit, angetrunken? Es sei denn, er wäre so besoffen, dass er sich auf das Postament stützt und den Kopf die Treppe hinunterwirft. Aber dazu wird es hoffentlich nicht kommen!« Wir holten die besten Bilder aus Madrid, das Haus des Tauben sollte ein großes Mausoleum werden, ein Leichenhaus des Ruhms, der Katafalk, auf dem Mariano die heiligen Bande der Ehe knüpft, Kraft schöpfend aus den Überresten des Großvaters, der sich auf dem Friedhof in Bordeaux zersetzte. Guten Appetit.

Mariano spricht
    Schluss mit dem Sparen und Knickern, Schluss mit dem Gejammer, wie teuer alles sei, man müsse auf ein weiteres Tausend Jahresrente kommen, das Billige sei besser als das Teuere. Einer in dieser Familie muss endlich leben, voll durchatmen. Wenn es keine Anwärter gibt, ich stelle mich gern freiwillig zur Verfügung.
    Madrid ist ein Nest, aber wir haben das Beste angeschafft, was zu haben war, von den Kandelabern und Möbeln bis zu den

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