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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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als hätte sie den ganzen Tag Brote aus dem Ofen geholt, und die feine Haarsträhne, die aus der Frisur gerutscht war, klebte an ihrer verschwitzten Stirn wie eine dünne schwarze Schlange. »Ja, ich weiß es nicht«, sagte ich und versuchte mich zu beruhigen, in der Hoffnung, dass auch sie sich beruhigen würde, aber sie kniff den Mund noch mehr zusammen. »Stimmt, ich weiß es nicht.« Sie stand da, schwieg, mit purpurnem Gesicht, wie ein Lehrer, der auf die Antwort seines schlechtesten Schülers wartet, um ihn auszulachen. »Leocadia?«, fragte ich unsicher; sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht … Alba?« Auch nicht. Also das Schlimmste. »Wo ist Javier, dieser Arschkriecher?«
    »Nein«, zischte sie zwischen den Zähnen hervor, und dann skandierte sie Wort für Wort: »Mein Schätzchen, die letzten Worte deines Vaters lauteten …« Nein, ich werde es nicht sagen. Das bringe ich nicht über die Lippen.

XXVI
Mariano spricht
    Madrid ist, wie es ist, aber am Manzanares war es noch schlimmer. Es kam vor, dass man den ganzen Tag nur mit den Fliegen reden konnte und mit einem alten Maultiertreiber, der langsam nach Hause fuhr, zu seiner Frau, die ihm eine dünne Suppe servieren würde. Ich versuchte etwas aus dem Garten zu machen, aber eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass dieser Faulpelz Felipe eine anständige Arbeit in Angriff nimmt; er stöhnt nur, dass es ihm hier zieht, da im Darm rumort, schlecht wird, in der Nase juckt … Hätten die englischen Lords solche Gärtner gehabt, würden sie heute noch in der Wildnis leben. Und hätten sie solche Köche gehabt, hätten sie sich von rohem Fleisch und Wurzeln ernährt.
    So viel Arbeit habe ich investiert, so viele Ideen und nächtliche Eingebungen gehabt: eine lange Kaskade, romantische Ruinen, eine zerfallene Statue … Alles für die Katz, alles für die Katz.
    Wir kamen immer seltener hin – hauptsächlich, um mit Freunden im Zimmer oben zu musizieren. Aus der Stadt brachten wir Körbe mit Essen mit, wir spielten, manchmal bis zum Morgengrauen, und dann wieder in die Kutsche und ab in die Zivilisation, was das Pferd hergibt!
    Schließlich sagte ich der Trantüte, dass ich diese Bruchbude leid sei, dass ich sie entweder verkaufe oder sie, wenn er will, wieder auf ihn überschreibe – wenn Großvater sie mir nicht aus Angst vor der Konfiszierung vermacht hätte, wäre sie, zusammen mit dem restlichen Erbe, ohnehin ihm zugefallen.
    »Ich kann das Haus nehmen, wenn du es hergibst«, sagte er, »ja, gut, ich nehme es.« Und gleich am Nachmittag packte er seine Sachen, stieg gebeugt in die Kutsche und ließ sich an den Manzanares fahren, in die Nähe der Segovia-Brücke. Wer hätte das gedacht?

XXVII
Javier spricht
    Ich dachte, hier sei nichts von ihm übrig; die Schmierereien an der Wand haben wir vor der Hochzeit abgeschlagen, das alte Gerümpel hat Felipe im Garten verbrannt. Und dennoch – wie langlebig die Gegenstände sind, wie viele es davon gibt! Ein nicht zu beherrschendes Element – in allen Ecken und Winkeln, auf dem Dachboden, überall watete man in den Sachen des Alten.
    Es war seltsam, all die Utensilien in der Hand zu halten, die er damals nicht nach Frankreich mitgenommen hatte: Pinsel mit abgenagtem Stiel und abgerupften Haaren, manche für immer hart geworden von der daran klebenden Farbe, andere fast kahl; Tücher, rauhe Lappen, vielfältige Leisten und Bürsten, mit denen er die Oberfläche der Bilder aufgerauht hatte; angeschlagene Schälchen zum Mischen von Farben, mit verschiedenen Flecken besprenkelt (fleischfarbenes Rosa, Indigo, Rotbraun – Dekolletés, Himmel und altmodische Röcke), sowie Fläschchen mit den Resten von etwas, das sicher einst zum Malen gedient hatte, aber schon lange ranzig geworden, verschimmelt oder zu Bröckchen vertrocknet war. Nur die Pigmente besaßen dieselbe mineralische Reinheit wie früher; zu feinem Pulver zerrieben, leuchteten sie ungetrübt unter der Staubschicht hervor; nur sie, unversehrt, die Farben im Zustand vollkommener Jungfräulichkeit, waren noch zu gebrauchen. Ich öffnete weitere Schubladen und stöberte in den Ecken (und fand einen ganzen Satz Platten der Disparates , an denen er vor der Abreise gearbeitet hatte; er hatte keinen einzigen Abzug davon gemacht; ich wickelte sie wieder in den dünnen Filz und legte sie zurück). Dann schob ich die unvollendeten, aufgegebenen Bilder weg – es waren nicht viele, denn nachdem er seine Leinwandvorräte für Scharpien und Bandagen

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