Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)
boshaften Gärtnern anvertraut: dem Wind und der Hitze. Was für ein herrliches Elend.
Erst Felipe weckte mich auf, der mit fürchterlichem Lärm Kisten, Schachteln und Flaschen, die ich bei Millares bestellt hatte, vom Wagen lud und über die Schwelle zerrte; ich schlug die Augen auf, drehte den steif gewordenen Hals, wischte mir den Mund ab, an dem ich noch einen Rest Olivenöl spürte, und sprang auf. »Javier«, sagte ich mir, »die Arbeit ruft.«
Obwohl ich damals noch nicht die geringste Ahnung hatte, was mich erwartete.
In der Ecke des Saals im Parterre blieb ich stehen, hielt mich fest und schob das Sofa von der Wand weg, damit es nicht verspritzt würde; auf den Boden legte ich alte Lappen aus dem Atelier des Ebers, der sich natürlich nie darum scherte, ob er etwas verschmutzte, versaute oder versudelte; er spritzte alles voll, hielt in einer Hand drei Pinsel, mit dem einen malte er, mit den beiden anderen blieb er mal an den eigenen Kleidern, mal an einem daneben trocknenden Bild hängen; Mutter ließ ihn mit dem Pinsel nie aus der Werkstatt; so hatten sie es abgemacht, und er hielt sich – o Wunder – bis zu ihrem Tod an diese Vereinbarung; erst danach wurde er so dreist, die Staffeleien hinzustellen oder seine Radierwerkstatt einzurichten, wo es ihm beliebte; später, als wir das Haus für die Jungen umbauten, mussten wir alles reinigen. Nicht einmal diese Weiss schaffte es, ihn im Zaum zu halten, auch in Bordeaux war alles voller Flecken. Alles dreckig.
Ich zog den Rock aus, krempelte die Hemdsärmel hoch. Auf dem Hof mischte ich in einem kleinen Zuber Wasser mit Gips; ich weiß nicht, was der Alte dem Putz zugegeben hat, unter die Fresken – er hatte seine Rezeptur; ich jedenfalls gab ziemlich viel Bleiweiß zu, das gleiche Bleiweiß, das nach Meinung meines Onkels so viele Jungen und Mädchen der Familie Goya vergiftet und ihre potentiellen Brüder und Schwestern in Krüppel und glitschige Fetzen verwandelt hat, die im blutigen Bett landeten; ich wollte eine helle, leuchtende Grundierung. Mit Felipes Hilfe trug ich den Zuber hinein – er war schwer jetzt, voll von mattem Weiß, das nach feuchter Erde roch; und dann tauchte ich die große Kelle ein und verputzte, als wäre das die einfachste Sache der Welt, von einem Ende zum anderen den breiten Streifen aus goldenem, mit kleinen Blümchen bedruckten Perkal. Und dann den zweiten. Möbel verstellen, und weiter ging’s. Ich arbeitete wie ein Verrückter, und das war ja erst der Anfang, noch gar nichts. Blanke weiße Flächen, unter denen sich immer noch das unsichtbare feine Muster abzeichnete. Rosenknöspchen.
Mariano spricht
Wir hielten uns damals nicht in Madrid auf, Concepción und ich machten eine kleine Reise, um ein wenig die Luft der großen Welt zu schnuppern, deshalb fuhren wir nach Paris. Jemand, der seine Nase nie hinter die Pyrenäen gesteckt hat, weiß ja gar nicht, wie das wirkliche Leben aussieht! Dort ist es taghell, mitten in der Nacht; und bei uns wurden, da dem dummen Volk die Reformen des Ministers nicht gefielen, der die langen Mäntel und Sombreros verbot, an zwei Tagen viertausend Lampen kaputtgeschlagen, die er in der Stadt hatte aufstellen lassen, und den Leuten von der Guardia riss man die Zungen heraus, stach die Augen aus, und ihre abgeschnittenen Köpfe wurden aufgespießt durch die Stadt getragen, jeder mit einem großen Sombrero. Damals war Großvater jung, aber wir hocken bis heute in dieser Finsternis.
Wir spielten – wir spielten wie verrückt: Karten, Würfel, Geige, Bratsche! Ich duellierte mich um die Ehre von Concepción, was sie begeisterte, sie berührt meine Narbe am Schenkel wie eine heilige Reliquie. Und wir kauften Noten. Haydn, Beethoven. Boccherini ist anscheinend nicht mehr in Mode; nun ja, Paris diktiert alles, und die Mode bleibt nicht stehen, nur weil manche sie nicht befolgen. Besonders schön ist ein deutsches Trio, von Probst, eine hervorragende Ausgabe, die Noten sehr gut zu lesen. Ein gewisser Schubert, op. 100 – offensichtlich ein fruchtbarer Komponist, aber es gab dort nicht viel von ihm, angeblich lebt er nicht mehr, ist wohl im selben Jahr gestorben wie Großvater. Wenn man daran denkt, wie lange das schon her ist – aber ich habe immer noch Frau Weiss vor Augen, wie sie sagt: »Er ist einfach eingeschlafen …, sogar der Doktor war erstaunt, wieviel … wieviel Kraft er in sich hatte … Sie sagen, er hat nicht gelitten« – hier kippte ihre Stimme – »aber das stimmt nicht,
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