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Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition)

Titel: Saturn. Schwarze Bilder der Familie Goya: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacek Dehnel
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und Geld auf mich warten. Ich bin jung, ich sehe gut aus, ich habe eine schöne Frau mit hervorragender Verwandtschaft in den besten Kaufmannskreisen – und es sind die Kaufleute, nicht die Granden, die jetzt die Gesetze diktieren werden, obwohl man sich um einen Titel dennoch bemühen sollte; aber ich habe einen besseren Namen als so mancher Marquis, vor allem unter diesen neuen Marquis der Loyalität, Marquis der Treue, deren Väter auf dem Feld gearbeitet und vor Hunger Erde gefressen haben. Das Wichtigste ist jetzt – irgendwo aufspringen, Zugang zu den entsprechenden Kreisen finden, mit den richtigen Damen auf den richtigen Bällen tanzen, in der richtigen Ecke des Saales, unter dem richtigen Leuchter. Der Rest kommt ganz von selbst.

Javier spricht
    Die Pinsel waren aufs schönste geordnet; die Farben waren alle eingetrocknet, aber die Pigmente, die ich im Atelier gefunden hatte, glänzten jungfräulich rein, wie vor dreißig Jahren. Ich befahl Felipe, den Tisch zu decken, danach schickte ich ihn mit einer Einkaufsliste in die Stadt zu Don Millares, dessen Vater und Großvater dem alten Eber – und zuvor schon Mengs und Tiepolo – Farben, Öl und Leinwand geliefert hatten, und ging ins Obergeschoss etwas essen.
    Ich setzte mich ans Fenster, so dass ich den schmalen Streifen des Manzanares sah, das benachbarte Gut direkt am Ufer, die Wäscherinnen, die auf den Steinen saßen wie eine Schar Hennen, und über ihnen – die Stadt, ihre Türme und Kuppeln, die in der Sonne des frühen Nachmittags schimmerten wie die Knochen eines Riesen, von Gewürm bewohnt. Gewürm, das mit Kutschen fährt, Gewürm, das kauft und verkauft, das sich in ganzen Strömen über die Erde wälzt, verstohlen in seinen Höhlen verschwindet, dunkle Gänge baut für seine widerlichen Unternehmungen; eine Leiche, bewohnt von Pläne schmiedenden Larven, eine Bruchbude voller Kakerlaken.
    Hier in der Nähe erstreckte sich unser Land, das der Dachs mit dieser Hartnäckigkeit bewirtschaftet hatte: ein kleiner Weinberg, Spaliere von Kirsch- und Apfelbäumen, Beete, in denen früher prächtiger Lauch und riesige Artischocken wuchsen; wie war doch alles verfallen mit den Jahren, in denen keiner sich um Ernte oder Bewässerung kümmerte; hier und da ragten aus der verbrannten Erde Stangen, an denen sich einst etwas gerankt, etwas seine grünen Fangarme ausgestreckt hatte; jetzt hingen da nur noch Knäuel von vertrockneten Stengeln und Blättern. Die Obstbaumspaliere waren gelichtet: Hier war ein Baum vom Wind abgebrochen, dort einer von den Hasen angenagt, die bisweilen direkt ans Haus herankamen, an anderer Stelle hatte Felipe oder einer seiner Vorgänger so lange zu gießen vergessen, bis der Baum spantrocken war, wie Asche. Nur die Pappeln hielten sich irgendwie, und selbst bei fast stehender Luft konnte man ihr leichtes, silbriges Wogen sehen. Mariano hatte eigentlich etwas Neues dort gestalten wollen – zuerst wollte er alles planieren und einen englischen Park anlegen, dann den ursprünglichen Garten aus der Zeit seines Großvaters wiederherstellen, später eine malerische künstliche Ruine errichten; unbeständig und unruhig wie er war, konnte er sich nicht entschließen. Entsprechend sah es aus: Irgendwo am Rand lag ein Häufchen Erde, anderswo waren neue Bäumchen gepflanzt, an der Stelle alter, die eingegangen waren und hatten entfernt werden müssen; aber auch die neuen wurden vergessen und vom gleichen Schicksal ereilt. In der Nähe des Schuppens lagen Steine auf einem Haufen, aus einem heruntergekommenen Kloster, zwei Säulen und ein paar bearbeitete Felsbrocken, die allmählich in die Erde wuchsen. Alles wild durcheinander, ohne Sinn und Verstand. Großer Appetit und erbärmlicher Wille – daraus sind wir gemacht.
    Jetzt, dachte ich, ein Artischockenherz betrachtend, müssen wir sogar die Artischocken kaufen. Mitten in der Saison. Dabei hat es früher so viele davon gegeben. Und was für prächtige. Und auch eine Käserei wollten wir ja noch einrichten, das wäre was gewesen; wäre der alte Dachs in Spanien geblieben, hätte er diesen Ort total verändert. Was für ein Glück, dass es anders kam. Ich liebte diese Atmosphäre von Verlassenheit und Vernachlässigung: den schiefen Schuppen, die lückenhaften Spaliere, die mickrigen Trauben. Ich stellte den Stuhl vom Tisch weg und schaute, den Kopf in die Hände gestützt, immer schläfriger auf diese mutig nicht bestellte Einöde, dieses Denkmal der Untätigkeit; man hatte die Aufgabe

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